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Ölkrise überwunden

Von Alexander Dworzak

Politik

Dank wachsender Wirtschaft hat Norwegens Premier vor der Wahl zu den Sozialdemokraten aufgeschlossen.


Oslo/Wien. Rund 1300 Kilometer Luftlinie trennen Wien von Oslo. Politatmosphärisch sind es noch mehr, gemessen am diesjährigen heimischen Geplänkel, ob und wann vorgezogene Wahlen stattfinden. In Norwegen gibt es dagegen eine einfache Regel: Die Legislaturperiode dauert vier Jahre, und die Wähler können nicht frühzeitig zu den Urnen gerufen werden. Am Montag findet planmäßig die Parlamentswahl statt. Zwar liegt die oppositionelle Arbeiterpartei in Umfragen vorne, sie kommt auf 26 Prozent. Dass die Sozialdemokraten die konservative Premierministerin Erna Solberg ablösen, ist aber alles andere als ausgemacht.

Von mehr als zwölf Prozentpunkten zu Jahresbeginn hat Solberg den Rückstand auf rund zwei Prozentpunkte verkleinert. Demoskopen schließen sogar nicht aus, dass ihre Partei Höyre zum ersten Mal seit 100 Jahren mehr Stimmen als die Arbeiterpartei erhält. Solberg holte auf, weil der wirtschaftliche Abwärtstrend gestoppt wurde. Wo nicht Milch und Honig fließen, sondern Öl sprudelt, sorgte dessen Preisverfall für eine harte Landung. Von 100 Dollar oder mehr pro Barrel (159 Liter) zu Beginn von Solbergs Amtszeit 2013 sank der Preis für ein Fass der Rohölsorte auf unter 30 Euro; auch der Gaspreis brach ein. 50.000 Jobs gingen im Öl- und Gassektor verloren, die Arbeitslosenquote überschritt im Oktober vergangenen Jahres die Fünf-Prozent-Marke - zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert. Mittlerweile sind für ein Barrel knapp 55 Dollar fällig. Auch ist die Zahl der Jobsuchenden gesunken. Die zwischenzeitliche Wechselstimmung der Wähler verpufft daher zusehens, Solberg kann für sich reklamieren, Norwegen gut aus der Minikrise geführt zu haben.

Tabubruch beim Pensionsfonds

Vergessen ist damit auch der Tabubruch von Solbergs Koalitionspartner, der rechtspopulistischen Fortschrittspartei. Deren Chefin, Finanzministerin Siv Jensen, entnahm 2016 umgerechnet 712 Millionen Euro aus dem staatlichen Pensionsfonds, von dem die Öl- und Gaseinnahmen verwaltet werden. Über Jahrzehnte hielten sich Regierungen jeglicher Couleur an die Regel, dass nur vier Prozent des Überschusses aus dem Fonds jährlich in den Staatshaushalt umgeleitet werden. Diese Zurückhaltung, kombiniert mit Investments für künftige Generationen, hat den "Statens pensjonsfond utland" zum größten staatlichen Fonds der Welt mit knapp 850 Milliarden Euro Marktwert gemacht.

Dass die natürlichen Ressourcen endlich sind, wissen alle Parteien. Konservative und Rechtspopulisten können sich auch Probebohrungen um die Inselgruppen Lofoten und Vesteralen nördlich des Polarkreises vorstellen; die Sozialdemokraten unter Jonas Gahr Störe sagen nicht Nein zu einer Machbarkeitsstudie. Die Grünen wollen die Erdölindustrie im Land bis zum Jahr 2032 abwickeln und lehnen Bohrungen strikt ab - weswegen die Arbeitspartei eine Koalition ausschließt. Dabei sind die Sozialdemokraten gefangen zwischen ihrer traditionell wirtschafts- und unternehmerfreundlichen Linie und der fehlenden Machtperspektive, sollte die Öko-Partei tatsächlich als Koalitionspartner ausfallen.

Die Grünen schaffen wohl den Einzug in das Parlament, laut Pollofpolls.no möglicherweise auch die Kommunisten. Fix ist die Sozialistische Linkspartei im Storting vertreten. Im Zentrum und rechts davon tummeln sich neben Konservativen und Rechtspopulisten noch Zentrumspartei, Christdemokraten und die liberale Venstre. Letztere beiden haben in den vergangenen vier Jahren die Minderheitsregierung von Höyre mit der Fortschrittspartei unterstützt. Die Rechtspopulisten traten bereits in der Vergangenheit gemäßigter auf als etwa die Schwedendemokraten im Nachbarland. Sie setzen aber auch auf die Themen Migration und Integration und eckten bei ihren Partnern an.

In der zerklüfteten Parteienlandschaft ist unklar, wer die nächste Regierung stellt. Fest steht, abermals im Gegensatz zu Österreich: Es wird keine große Koalition geben. Sie ist nicht aus inhaltlichen, aber demokratiepolitischen Gründen verschrieen. Und während hierzulande die Minderheitsregierung verpönt ist, gehört sie in Norwegen zur politischen Routine, ist seit 1945 die am häufigsten zustande gekommene Regierungsform.