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Ein Propagandasender in der Ruhephase

Von Eva Zelechowski

Politik
Keine schmutzigen Leaks über unbequeme Politiker im Wahlkampf, dafür ist der Ton der Beiträge auf RT Deutsch konstant zynisch und abfällig.
© Screenshot / Twitter

Wie informierte der deutsche Ableger von "Russia Today", RT Deutsch, seine Leser über die Bundestagswahl?


Russische Hacker, (Pseudo-)Leaks über Putin-kritische Politiker und die Zerstörung des Abendlandes durch Geflüchtete. Das waren nur einige Themen, die die Wahlen und Wahlkämpfe des vergangenen Jahres dominierten. Die Phase vor der Deutschen Bundestagswahl verlief hingegen relativ ruhig. Keine grobe Einflussnahme aus Russland war spürbar. Doch Einflussnahme kann auch subtil ablaufen: durch Werbeschaltungen auf sozialen Medien oder Facebook-Gruppen, die sogenannte Putinfans und Islamfeinde vernetzen.

In einer Analyse des Social Media Auftritts von RT Deutsch wollte die "Wiener Zeitung" einen Überblick erhalten, wie die Online-Plattform zwei Wochen lang vor der Bundestagswahl über Kandidaten, Parteien und Wahlkampf berichtete. Welche Themen dominieren? Wie objektiv ist die Berichterstattung?

Wahlkampf auf RT Deutsch

Am 1. Juni diesen Jahres hat RT Deutsch (ehemals "Russia Today") begonnen, intensiv über die deutsche Bundestagswahl zu berichten. Bis zum Wahltag wurden 133 Berichte zusammengestellt, davon 84 alleine in den letzten zwei Wochen. Unter dem Schlagwort #Bundestagswahl finden sich viele kurze Meldungen, einige umfassende Reportagen, davon zahlreiche mit kurzen Videoschnippseln versehen. Immer mehr setzt RT, der sich gerne mit Größen wie BBC und CNN vergleicht, auf Video-Beiträge, um seine Nutzer zu informieren. Kein störender Text, bequem und rasch – so konsumiert auch der US-Präsident am liebsten seine News. Besonders auf sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook kommt das gut an.

Posten im Accord

Der Twitter-Account von RT Deutsch zählt 37.084 Follower und die Facebook-Seite erreicht 324.413 User. Entsprechend mehr "Gefällt mir" (meist Hunderte) und Kommentare (Dutzende) bekommen die Beiträge auf Facebook. Jeder "Like" pusht die Reichweite. So vermehren sich die Beiträge im Eiltempo im Netz und das Social-Media-Team postet fast im Accord. Auf Twitter flossen täglich etwa zwischen 40 und 60 Tweets in die Timeline der Follower, davon zwei bis acht zur Bundestagswahl. Sie wurden signifikant mehr, je näher der Wahlermin rückte. Dies fiel auch auf Facebook auf, bloß dass hier im selben Zeitraum sogar zwischen 60 und 75 Postings pro Tag veröffentlicht wurden, davon zwischen vier und zehn Wahl-Beiträgen. So weit so unauffällig. Erst bei näherer inhaltlicher Betrachtung kamen überraschende Details zum Vorschein.

Nach den Schlammnachrichten aus dem US-Wahlkampf über Hillary Clinton und aus dem französischen Präsidentschaftwahlkampf über Emmanuel Macron war eine Frage in diesem Analyseprojekt berechtigt: Würde gemäß des Rufs von RT als "Kreml-Propaganda-Sprachrohr" ein bestimmter Narrativ über Putins vermeintliche Erzfeindin Angela Merkel kommuniziert? Das Fazit: Jein. In 14 Tagen vor der Wahl wurden auf Twitter acht Beiträge zu Bundeskanzlerin Angela Merkel mit kritischem bzw. negativem Narrativ gepostet, nur drei mit neutraler bzw. positiver Botschaft. Obwohl die kritischen Berichte über Merkel überwiegen, lautet die Antwort nicht Ja, sondern Jein. Die Erklärung liefert ein Blick auf die Berichterstattung über Macron und Clinton. Im Vergleich zu den rufschädigenden Meldungen über zwei Politiker kann man jene über Merkel als halbwegs objektiv bezeichnen.

Genau umgekehrt verhielt es sich bei SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz: Zwei negative und acht positve / neutrale Berichte. Eine überraschende Beobachtung gab es zur AfD: Die Berichterstattung fiel grundsätzlich nicht besonders positiv für die rechtsextreme Partei aus. Oft wurde sie kritisiert und abgewatscht – nicht selten von Martin Schulz. Über den Wahlkampf der Grünen, die FDP oder der Linken wurde kaum berichtet. Auch Themen wie Flüchtlinge oder Cybergefahren kamen nur im Hintergrund vor. RT verhielt sich auffallend unauffällig.

Gefahr der russischen Einflussnahme gebannt?

"Wir sehen nicht, dass Putin sich in den Wahlkampf eingemischt hat, und wir sehen auch keine große Wirkung", sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere wenige Tage vor der Bundestagswahl. Tatsächlich blieb Deutschland vor groß angelegten Cyber-Angriffen aus Russland verschont. Trotz – oder wegen – der intensiven Warnungen von Verfassungsschutz und IT-Experten vor möglichen Cyberattacken auf Netzwerke des Bundestags und den Einsatz von Socialbots, die das Ergebnis der Wahl beeinflussen könnten. Noch zwei Monate zuvor registrierte der Verfassungsschutz einem Bericht zufolge vermehrt Hackerangriffe auf die deutsche Politik und Verwaltung. Als Angreifer seien Russland und China identifiziert worden. Bisher kamen jedoch keine vertraulichen E-Mails oder andere sensible Daten an die Öffentlichkeit.

Für den Hacker-Angriff im Jahr 2015 auf den Bundestag machte der deutsche Geheimdienst eine Kreml-nahe Gruppe verantwortlich, die auch hinter der Cyberattacke auf die US-Demokraten und den Leak von Hillary Clinton 2016 stecken sollen. Während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs startete RT eine massive Negativ-Kampagne auf den Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron. Sie sollte ihn als vermeintlichen Homosexuellen outen und ihm so Schaden zufügen. Auch so kann Einflussnahme ausgeübt werden.

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