Zum Hauptinhalt springen

Die Tories im Richtungsstreit

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Wie soll es mit dem EU-Ausstieg weitergehen? Die Konservativen, die den Briten "einen erstklassigen Brexit" versprochen haben, streiten immer offener über den richtigen Kurs.


Manchester. Vor einem Jahr, beim Tory-Parteitag in Birmingham, hatte Premierministerin Theresa May ihrer Gefolgschaft noch selbstbewusst die Richtung zur Radikal-Abkoppelung von der EU - notfalls auch "ohne Deal" mit den Europäern - gewiesen. Dieses Jahr, ein Wahldebakel später, herrscht auf dem Parteitag von Manchester regelrechtes Chaos über den weiteren Weg.

Während Brüssel den Briten am Dienstag vorhielt, monatelange Verhandlungen hätten nichts gefruchtet, ist die Uneinigkeit bei den Konservativen über Großbritanniens Zukunft größer denn je. Justiz-Staatssekretär Phillip Lee etwa hält die im Zuge des Brexits kommende Abgrenzung vom Kontinent für "ebenso schlimm wie Trumps Mauer". Für Hardline-Brexiteers kann der Mauerbau dagegen nicht schnell genug gehen.

Mittlerweile scheint der Respekt vieler Delegierten vor "ihren" Ministern - aber auch vor der Premierministerin - auf diesem Parteitag rapide zu schwinden. In der ersten Parteitagshälfte, vor den Brexit-Debatten am Dienstagnachmittag, war die Kongresshalle immer wieder halbleer. Reden wie die des Schatzkanzlers Philip Hammond, die kaum Neues, kaum eigene Zukunftsvisionen boten, halfen die Stimmung nicht zu heben. Sie vermehrten die Frustration der Parteibasis nur noch.

Ein globales Großbritannien

Im Kontrast zum Labour-Parteitag der Vorwoche, der mit ungewöhnlichem Enthusiasmus und überraschender Einheit aufwartete, war die Stimmung in Manchester von Anfang an ausgesprochen flau gewesen. Der Brexit liegt wie ein Fluch über den Tories. Wesentlich zur Verunsicherung trug auch das jüngste Aufbegehren Boris Johnsons, des ewig ruhelosen britischen Außenministers, gegen die Regierungschefin bei. Schon vor dem Parteitag hatte Johnson ja in zwei viel beachteten Zeitungsbeiträgen May zu einer härteren Brexit-Linie aufgefordert und sich damit als Vorkämpfer für einen zügigen Austritt in der Partei neu ins Licht gesetzt. Seine gestrige Parteitagsrede überschrieb Johnson mit dem Titel "Lasst die Löwen brüllen". Vor allem ging es ihm bei dieser Gelegenheit darum, Theresa May rhetorisch in den Schatten zu stellen und den Parteitag mit der Vision eines "globalen Britannien" neu zu inspirieren. Selbst Brexiteers wie der Hardline-Abgeordnete Steve Baker zeigten sich dabei aber unglücklich über Johnsons Mega-Ego. Auch Boris müsse sich gefälligst an die Regeln kollektiver Verantwortung halten, meinten sie. Ex-Bildungsministerin Nicky Morgan, vom pro-europäischen Flügel der Partei, ließ keinen Zweifel daran, dass Boris Johnson "gehen" müsse, wenn er nicht "den Mund halten" könne in dieser Situation.

May freilich zeigte sich nicht in der Lage, etwas gegen den permanenten Unruhestifter in ihrer Regierungsriege zu unternehmen. "Meinungsvielfalt", zuckte sie die Achseln, sei eben die Stärke ihres Kabinetts. Ihre Kritiker gehen freilich davon aus, dass May entweder nicht mehr die Autorität hat, um Johnson zu entlassen, oder dass sie einen "Boris-Putsch" von den Hinterbänken her um jeden Preis vermeiden will. Brexit-Hardlinern kann beides nur recht sein. Für sie steht Johnson, der im Vorjahr die erfolgreiche Referendums-Kampagne gegen die EU-Mitgliedschaft anführte, als Garant für ein endgültiges Ausscheiden Großbritanniens aus Binnenmarkt und Zollunion - und zwar möglichst bald.

EU macht keine Hoffnungen

Mit der Forderung nach schnellen Verhandlungen über ein Handelsabkommen nach dem Brexit wiederum stoßen die Briten bei der EU auf entschiedenen Widerstand. "Ich kann bis jetzt nicht sagen, dass wir so weit sind, in die zweite Phase der Verhandlungen einzusteigen", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Europäischen Parlament in Straßburg. Die Abgeordneten teilen mit überwältigender Mehrheit diese Einschätzung. 557 der 678 Mandatare stimmten dafür, die Gespräche mit London über das künftige Verhältnis auf die lange Bank zu schieben, solange bei den unmittelbaren Problemen keine Einigung erzielt wurde. Die Resolution ist unverbindlich.