Stathis Stavropoulos vor seinem Haus in Athen. - © Ferry Batzoglou
Stathis Stavropoulos vor seinem Haus in Athen. - © Ferry Batzoglou

"Wiener Zeitung": Stathis, Sie gehen in Ihren Karikaturen mit dem heutigen Deutschland und den Deutschen nicht gerade zimperlich um. Seit Beginn der Griechenlandkrise zeichnen Sie Wehrmachtsoffiziere, Peiniger mit Hitler-Bärtchen, Gauleiter, Hakenkreuze, Panzer - getreu dem Motto "Nazis geht immer", möchte man meinen.

Stathis: Ich habe nichts gegen Deutsche. Ich schätze und bewundere sie sogar für ihre Errungenschaften in Kunst und Kultur. Es geht auch nicht um einzelne Politiker. Ich nehme die praktizierte Politik auf die Schippe. Natürlich übertreibe ich. Das ist das Wesen der Karikatur. Ich will zeigen, dass Deutschland die Fehler der Vergangenheit wiederholt. Es läuft Gefahr, ein Viertes Reich in Europa zu errichten. Früher schickte Deutschland Panzer, heute sind es Zinsen für Kredite. Staatsschulden sind heute ein Instrument, um ganze Völker zu unterjochen. Und Griechenland ist heute nun einmal eine Schuldenkolonie, ein Protektorat.

Geht es mit Griechenland nicht langsam wieder aufwärts? Die Wirtschaft wächst doch endlich wieder, wenn auch nur leicht.

Aufwärts? Unfug! Wie denn? Griechenland ist eine Sonderwirtschaftszone: Mit Niedrig- oder Hungerlöhnen, ohne feste Arbeitszeiten, ohne Arbeitsverträge. Die Arbeitslosenrate wäre noch viel höher, würden die Griechen, ob Arbeiter oder Akademiker, nicht scharenweise auswandern. Die Griechen suchen woanders ihr Glück. Welche junge Frau kann von 100 Euro im Monat als Kellnerin in einem Café leben? Welcher Familienvater mit Gelegenheitjobs für 400 Euro? Die Arbeitswelt in Hellas ähnelt heute eher dem Sklaventum. Griechenland ist "bulgarisiert" worden, ein Armenhaus Europas.

Ist das auch unter der seit Anfang 2015 amtierenden Regierung des linken Premiers Alexis Tsipras so?

Ja, schlimmer denn je.

Wie ist die Gemütslage der Griechen?

Sie haben Angst. Es herrscht eine ungeheure Unsicherheit, aber auch Enttäuschung, Lethargie, sogar Verzweiflung. Die Griechen sind wütend. Ich bin es auch. Das alles erzeugt eine Blase der Explosion in der Gesellschaft. Immer mehr Griechen empfinden offen Hass auf die Politiker. Sie sagen sich: "Es ist doch völlig egal, wen ich wähle. Es ist egal, wer in Athen regiert." Ganz so, als ob gäbe es keine Alternative. Das ist katastrophal. Ich sage hingegen: "Selbst wenn es wirklich keine Alternative gäbe, müsste man sie finden!"