Haben Sie die Bundestagswahlen in Deutschland in diesem Herbst verfolgt?

Klar. Den ganzen Tag. Mit Agonie. Wie gesagt: Hellas ist ein Protektorat. So wie Pergamon oder Alexandria nach Rom schauten, tun wir Griechen das und schauen jetzt nach Berlin.

Wie bewerten Sie den Ausgang der Wahl?

Die deutsche Sozialdemokratie muss die Lehren aus dem für sie schlimmen Ergebnis ziehen. Sie muss sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen. Sie war einmal ein Verfechter der kleinen Leute. Die SPD wollte einmal bessere Löhne und Gehälter, Renten, einen starken Sozialstaat, soziale Gerechtigkeit. Sie darf sich nicht dem Neoliberalismus unterwerfen, nur ein Anhängsel der Christdemokraten sein. Daher war ich auch gegen eine Fortsetzung der großen Koalition in Deutschland.

Was halten Sie von Wolfgang Schäuble? Der Bundestagspräsident hatte in der Griechenlandkrise als damaliger Finanzminister eine prägende Rolle gespielt. Für das Gros der Griechen, auch für Sie, galt der CDU-Politiker daher als eine Art Totengräber, nicht als Retter Griechenlands. Sehen Sie das nach wie vor so?

Es ging und geht nicht um die Person Schäuble, sondern um die Politik Schäuble. So sehen das fast alle Griechen. Sie ist gut für die Banken, nicht für den Arbeitnehmer. Ich hätte lieber einen Bundesfinanzminister gesehen, der die Ängste und Nöte der Bewohner in einem Arbeiterviertel verstehen kann. Und zwar egal, ob sie in Hamburg oder in Athen leben.

Und Angela Merkel, die alte und neue Bundeskanzlerin?

Angela Merkel hat das selbe Problem wie Wolfgang Schäuble. Sie hat keine Ahnung davon, wie die Menschen in einem Arbeiterhaushalt oder kleine Angestellte ticken. Egal, ob in Deutschland oder Griechenland.

Haben Sie Angst vor Deutschlands Liberalen? Sie buhlen um ein - abgespecktes - Finanzressort in Berlin. Und sie reden immer noch vom Grexit.

Die FDP wird sich immer dem viel stärkeren Koalitionspartner fügen. Und das sind nun einmal die Christdemokraten.

Zur Person

Stathis Stavropoulos,

ist Griechenlands führender Karikaturist. Seit Ausbruch der Griechenlandkrise ist der 62-Jährige, der den Künstlernamen "Stathis" trägt, ein scharfer Kritiker des rigorosen Sparkurses in Athen und der - wie er es nennt - "deutschen Hegemonie in Europa. Stavropoulos lebt in Athen.