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Generationenwechsel bei Sinn Fein

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik
Adams verkündete in Dublin seinen Rückzug vom Parteivorsitz, den er seit 1983 innehat.
© reu/Kilcoyne

Irlands Republikaner lassen ihre IRA-Vergangenheit endgültig hinter sich. Der Rückzug Gerry Adams von der Parteispitze soll nicht zuletzt ihre Chance bei künftigen Wahlen erhöhen.


London. Bei Irlands Republikanern kündigt sich ein weitreichender Wandel an. Die Partei Sinn Fein, früher einmal das politische Aushängschild der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), kappt die Verbindung zur Generation des "bewaffneten Kampfes" - im Versuch, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, die ihr zur Last geworden ist.

Bereits im März kam es für die Partei zu einer ersten Zäsur, als der frühere IRA-Stabschef und spätere Vize-Regierungschef Martin McGuinness starb. McGuinness war eine der beiden wichtigsten Führungsfiguren der Republikaner gewesen. Die andere, Gerry Adams, stand 34 Jahre lang an der Spitze der republikanischen Bewegung. Diesen Posten will Adams im kommenden Jahr jüngeren Mitgliedern überlassen, die mit der IRA persönlich nichts mehr zu schaffen haben.

Seine Entscheidung, die Partei-Präsidentschaft 2018 abzugeben, teilte Adams am Wochenende dem Jahreskongress Sinn Feins in Dublin mit. Den tausend Delegierten sagte der 69-Jährige, McGuinness und er hätten schon vor geraumer Zeit begriffen, dass ein Wandel in der Führung der Partei erforderlich sei.

Adams erklärte, er habe "vollkommenes Vertrauen" in "die nächste Führungsgeneration der Partei". Er werde sich nächstes Jahr jedenfalls nicht mehr für den Vorsitz zur Wahl stellen und werde auch bei den nächsten irischen Parlamentswahlen nicht mehr als Kandidat antreten. Gegenwärtig führt Adams außer der Partei auch die 23-köpfige Sinn-Fein-Fraktion im irischen Parlament, dem Dail Eireann.

Ein Sonderparteitag Sinn Feins soll in den nächsten Monaten die Nachfolgefrage klären. Favoritin ist die bisherige Vize-Chefin der Partei, die 48-jährige Dubliner Abgeordnete Mary Lou McDonald. Da mit der 40 Jahre alten Michelle O’Neill bereits eine Frau die Leitung Sinn Feins im Stormont-Parlament in Nordirland innehat, könnte das eine weibliche Doppelspitze für die Republikaner bedeuten. Keine dieser beiden Politikerinnen hat je der IRA angehört oder ist am "bewaffneten Kampf" beteiligt gewesen.

Für Sinn Fein ist das von Bedeutung, weil die Partei ehrgeizige Pläne in der Republik Irland verfolgt. Sie ist seit vorigem Jahr, als sie knapp 14 Prozent der Stimmen errang, drittstärkste Fraktion im Dail. Allerdings stößt die Partei in der Wählergunst offenbar an Grenzen. Beliebt ist sie vor allem in Teilen der Arbeiterschaft als linksnationale Protestpartei. In den bürgerlichen Schichten hat sie aber über die Jahre hin nur geringe Fortschritte erzielt.

Viele Iren scheuen sich davor, eine Partei zu wählen, der die IRA-Vergangenheit anhaftet. Und Gerry Adams war lange als ehemaliger Belfaster IRA-Kommandant bekannt - auch wenn er stets bestritt, der Irisch-Republikanischen Armee überhaupt angehört zu haben, die für eine Wiedervereinigung der Insel kämpfte und dabei auch vor Anschlägen gegen die von London unterstützten Unionisten nicht zurückschreckte.

Trotz seines Dementis gehen die meisten Iren davon aus, dass Adams auf Seiten der IRA eine zentrale Rolle während der "Troubles", der nordirischen Unruhen, spielte. Er soll unter anderem auch den Befehl zur Ermordung angeblicher "Verräter" in der katholischen Bevölkerung, darunter Jean McConvilles, einer Mutter von zehn Kindern, gegeben haben. Die Umstände jener Tat sind bis heute ungeklärt.

Versöhnung wurde zum Lebenswerk

Adams, der mehrere Attentate überlebte und Jahre hinter Gittern saß, hat die IRA und deren "Kampagne" stets verteidigt. Er sieht aber sein Lebenswerk vor allem darin, die bewaffneten Republikaner zur Beendigung ihres Kampfes und zur Vernichtung ihrer Waffen überredet zu haben. "Eine unserer größten Errungenschaften war es, den Friedensprozess aufzubauen", sagte er am Wochenende in Dublin - und erhielt dafür enormem Applaus.

Bereits in den 1980er Jahren hatten er und McGuinness erkannt, wie nützlich es für die Republikaner war, in der Politik aktiv zu werden und sich an Wahlen zu beteiligen. 1983, als frischgewählter Abgeordneter für West-Belfast, übernahm er die Präsidentschaft Sinn Feins und baute die Partei zu einer effizienten Kraft neben der IRA, dem bewaffneten Arm, auf.

Anfang der 1990er Jahren ließ sich Adams auf erste Kontakte bei der Suche nach einer Friedenslösung für Nordirland ein. 1994 ordnete er, wiederum gemeinsam mit Martin McGuinness, den ersten IRA-Waffenstillstand an, der drei Jahre später zum Ende der Gewaltaktionen der IRA führte.

1998 war Adams einer der Hauptverantwortlichen beim Zustandekommen des Belfaster Friedensvertrags, des "Karfreitags-Abkommens". Und 2005 war die IRA so weit, ihre Waffen "auszumustern". 2007 ging Sinn Fein dann in Stormont erstmals ein Regierungsbündnis mit dem alten Erzfeind, mit Ian Paisleys Demokratischen Unionisten, ein.

Im gleichen Jahr kam die Partei unter Adams bei Wahlen in der Republik bereits auf 7 Prozent - eine Zahl, die sie seither verdoppelt hat. Viel Spaß hatte der bärbeißige Belfaster aber nie an der Dubliner Politik, an parlamentarischen Wortgefechten. Auch seine Kompetenz, zum Beispiel in Wirtschaftsfragen, wurde oft angezweifelt. Insofern dürfte Adams nicht unglücklich darüber sein, sich aus der Frontlinie der Politik in Irland zurückzuziehen, meinen Beobachter in Dublin. Er hat auch bereits dementiert, dass er nächstes Jahr für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren will.

Dass er sich dagegen "hinter den Kulissen" weiter Einfluss bei Sinn Fein sichern wird, bezweifeln die wenigsten. Als Chefstratege der Partei über so viele Jahre hin wird Adam den Kurs Sinn Feins weiter mitbestimmen wollen. "Man kann sich schwer vorstellen", formuliert es der Autor und Sinn-Fein-Experte Deaglan de Breadun, "dass er sich ganz zurückzieht - aus jeglicher politischen Aktivität."