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Premier ohne Mehrheit

Von Klaus Huhold

Politik

Tschechiens Präsident Milos Zeman hat den Milliardär Andrej Babis zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Dieser weiß aber noch nicht, mit wem er regieren soll.


Prag/Wien. Als der Milliardär Andrej Babis am Mittwoch Tschechiens Präsidenten Milos Zeman die Hand schüttelte, hatte er eines seiner großen Ziele erreicht: Der Geschäftsmann war soeben zu Tschechiens Premier ernannt worden. Weil Babis, wie er in Gesprächen immer wieder betont, die Politiker in seinem Land allesamt für korrupt und unfähig hielt (und viele bis heute hält), gründete er 2011 die Protestbewegung ANO (ano bedeutet auf Tschechisch ja). Was als Kleinstpartei begann, ist mittlerweile Tschechiens stärkste Kraft. ANO holte bei den Wahlen im Oktober fast 30 Prozent der Stimmen.

Damit stammt erstmals seit der Samtenen Revolution 1989 ein Premier nicht aus den Reihen der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) oder den Sozialdemokraten (CSSD). Eine starke Partei auf der rechten (ODS) und eine auf der linken Seite (CSSD) waren sich in Tschechien fast drei Jahrzehnte gegenübergestanden und hatten sich an der Macht abgewechselt. Das ist nun vorbei, bei der vergangenen Wahl vereinten sie gemeinsam nicht einmal 20 Prozent der Stimmen auf sich.

Mit ANO steht nun eine Partei an der Spitze, die nicht in derartige Kategorien zu fassen ist. Babis ist ein Manager, der zweitreichste Mann des Landes hat den Landwirtschaftskonzern Agrofert groß gemacht, der mittlerweile auch an Medien, darunter an den zwei größten Qualitätszeitungen und dem populärsten Radiosender, beteiligt ist. Babis will das Land wie einen Konzern führen. Die Partei ANO ist ganz auf den gebürtigen Slowaken zugeschnitten, der ein Pragmatiker ist, seine Politik immer wieder den Trends in Meinungsumfragen anpasst und oft populistische Töne anschlägt. Der 63-Jährige will nun ein Minderheitskabinett bilden. "Unsere Regierung wird den Vorteil haben, dass sie ein Team ist und gegen die Korruption kämpfen wird", sagte er am Mittwoch.

Vorwürfe gegen Babis

Fraglich ist aber, inwieweit Babis überhaupt die Möglichkeit haben wird, Tschechien zu regieren. Denn er hat nun zwar eine Premiersernennung und auch bereits eine Ministerliste in der Tasche - die einzelnen Ressorts sollen ANO-Mitglieder und Fachexperten übernehmen. Aber er besitzt noch keine Mehrheit.

Denn ausgerechnet der Saubermann Babis ist mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, weshalb der Großteil der restlichen acht Parlamentsparteien nicht mit ihm zusammenarbeiten will. Es besteht der Verdacht, dass das Wellness-Ressort "Storchennest" zu Unrecht rund zwei Millionen Euro an EU-Förderungen erhalten hat. Babis spricht von politisch motivierten Angriffen.

Vorerst ist die Regierung des scheidenden sozialdemokratischen Premiers Bohuslav Sobotka noch geschäftsführend im Amt - die tschechische Verfassung macht es möglich, dass das Land vorübergehend zwei Premiers hat. In den nächsten Tagen oder Wochen muss sich Babis, der beim EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember als neuer tschechischer Premier auftreten will, aber einer Vertrauensabstimmung stellen.

Dubiose Unterstützer

Dafür braucht er Verbündete. Bisher haben sich lediglich die - in Tschechien unreformierten - Kommunisten bereit erklärt, eine Minderheitsregierung von ANO zu stützen. Auch die vom Tschechojapaner Tomio Okamura angeführte Partei "Freiheit und direkte Demokratie" (SPD) denkt über eine Unterstützung von Babis nach, fordert dafür aber vorerst eine direkte Beteiligung an der Regierung. Die SPD ist eine fremdenfeindliche Partei, ihr Vorsitzender hat zum Boykott von Geschäften, die von Moslems geführt werden, aufgerufen. Babis scheint bereit, mit solchen Partnern zusammenzuarbeiten, würde es aber gerne vermeiden und wird daher noch noch einmal Gespräche mit den anderen Parteien führen.

Präsident Zeman hat eine klare Meinung. Er unterstützt Babis, riet diesem bei der Angelobung, seine Gegner zu ignorieren. Zeman agiert dabei nicht selbstlos: Der 73-Jährige will Anfang 2018 wiedergewählt werden und dafür offenbar die Wähler von Babis für sich gewinnen. Deshalb hätte Zeman wohl auch kein Problem damit, wenn Babis mit Kommunisten und Rechtsradikalen paktiert. Denn auch deren Wähler könnten Zeman wieder zum Präsidenten machen.