Zum Hauptinhalt springen

Weltdiplomatie in imperialer Kulisse

Von Stephanie Liechtenstein

Politik

Unter österreichischem Vorsitz trafen sich die Außenminister der 57 OSZE-Mitgliedstaaten.


Wien. Unter österreichischem Vorsitz trafen sich am Donnerstag und Freitag die Außenminister der 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Wiener Hofburg zum jährlichen Ministerrat.

Als Auftaktritual begrüßte Außenminister Sebastian Kurz in seiner Funktion als amtierender Vorsitzender zusammen mit dem OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger jeden einzelnen der Außenminister, die über einen roten Teppich in die Wiener Hofburg schritten.

Kurz eröffnete formell den Ministerrat im dafür eigens adaptierten großen Festsaal der Hofburg. Danach begann die Plenarsitzung, die traditionell einen langen Reigen an offiziellen Wortmeldungen der einzelnen Minister vorsieht.

Von der Devise Viribus Unitis, mit vereinten Kräften, die einst Kaiser Franz Joseph I. prägte und die auf den Deckengemälden des Festsaals in der Hofburg abgebildet ist, war nicht viel zu spüren. Denn es wurde schnell klar, dass die Positionen Russlands und Amerikas frontal aufeinanderprallen, vor allem was den Ukraine-Konflikt betrifft.

Schlagabtausch zwischen USA und Russland

Der amerikanische Außenminister Rex Tillerson, dessen politische Tage gezählt sein dürften, bekräftigte, dass die USA niemals Russlands Besetzung und versuchte Annexion der Krim akzeptieren würden. "Sanktionen werden solange bestehen bleiben, bis Russland die volle Kontrolle der Halbinsel an die Ukraine zurückgibt", so Tillerson.

Auch die gemeinsam mit der EU verhängten Ukraine-Sanktionen blieben bestehen, bis Moskau seine bewaffneten Kräfte aus dem Donbass abziehe und die Minsker Vereinbarungen umsetze, so der amerikanische Außenminister. "Wir müssen das Recht eines jeden Staates respektieren, seine eigene politische Zukunft zu wählen", unterstrich Tillerson abschließend.

Die Retourkutsche des russischen Außenministers ließ nicht lange auf sich warten. Er erhob Anschuldigungen gegenüber der NATO, sich in Richtung Osteuropa auszubreiten, und warf dem Bündnis eine "rücksichtslose Expansion" vor. Schuld an der stockenden Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sei zudem Kiew, so Lawrow.

Kritik der Türkei

Der türkische Vize-Außenminister Achmet Yildiz beklagte seinerseits in seiner Eröffnungsrede, dass Verbündete des globalen Terrornetzwerks, das mit dem Putschversuch in der Türkei in Zusammenhang steht, zu Treffen der OSZE "erst in diesem Monat" zugelassen wurden. Yildiz erhoffte sich in diesem Zusammenhang "konkrete Lösungsvorschläge". Die OSZE hat daher kürzlich eine Reflexionsgruppe ins Leben gerufen, um Modalitäten zur Regelung der Teilnahme an OSZE Konferenzen zu erarbeiten.

Kampf gegen den Terrorismus

Ein bilaterales Treffen zwischen US-Außenminister Rex Tillerson und Sebastian Kurz bot auch die Möglichkeit über weitere weltpolitische Entwicklungen zu sprechen, wie etwa über den gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus, Nordkorea oder die Frage um die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels durch die USA. Beide zeigten sich beim Pressegespräch über die bilateralen Beziehungen zufrieden.

Diskussion um UNO-Blauhelm-Mission

Am Rande des Ministerrats fand auch eine Arbeitssitzung von Spitzenbeamten aus Österreich, Russland, der Ukraine und den USA statt, bei der auch hochrangige Beamte aus der UNO und der OSZE inkludiert waren.

Dabei wurde die Frage einer möglichen UNO-Blauhelmmission für die Ostukraine diskutiert. Während die Vorstellungen zwischen der Ukraine und Russland über eine derartige Mission weiterhin auseinandergehen, werden die Verhandlungen darüber weitergeführt. Hier ging es auch darum, aufbauend auf die über dreijährige Erfahrung der OSZE Beobachtermission, die Zusammenarbeit und Aufgabenaufteilung zwischen UN und OSZE bereits im Vorfeld aufeinander abzustimmen.

Gelungener Abschluss

Das Ministertreffen ging ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung zu Ende, da sich die Staaten nicht auf eine gemeinsame Linie, insbesondere in Bezug auf die Ukraine, verständigen konnten.

Der Ministerrat konnte ebenfalls keine Entscheidung darüber treffen, welches Land im Jahr 2020 den OSZE-Vorsitz führen wird. Norwegen war dafür im Gespräch, hat aber seine Kandidatur kurzfristig wieder zurückgezogen.

Entscheidungen im Bereich der Menschenrechte fanden ebenfalls keinen Konsens, ein negativer Trend, der seit dem Jahr 2014 anhält. Etliche Staaten machten dafür im Schlussplenum hauptsächlich die Blockadehaltung Russlands verantwortlich.

Es wurden jedoch insgesamt sechs Entscheidungen per Konsens angenommen, die der OSZE im nächsten Jahr zusätzliche Spielräume geben. Dazu gehört allen voran eine Entscheidung zum Ausbau der vertrauensbildenden Maßnahmen im Bereich der Cyber-Sicherheit. Die Entscheidung ermöglicht Staaten etwa im Fall von großangelegten Hackerangriffen eine weitere Eskalation durch Dialog zu vermeiden. Die Staaten verpflichten sich auch zum verstärkten Kampf gegen Menschenhandel sowie gegen den illegalen Handel mit Klein- und Leichtwaffen.

Bei der abschließenden Pressekonferenz zeigte sich Kurz zufrieden und zog Bilanz über den Vorsitz. "Österreich hat eine lange Tradition als Ort des Dialogs und der internationalen Vermittlungstätigkeit", so Kurz. Den OSZE-Vorsitz habe man als Chance gesehen, in diesem Bereich einen konkreten Beitrag zu leisten. Am 1. Jänner 2018 übernimmt Italien die Vorsitzfunktion.

Österreichsicher OSZE-Vorsitz hat sich bewährt

Der österreichische OSZE Vorsitz startete zu Beginn des Jahres mit einer Menge ungelöster Fragen. Vier Führungspositionen waren vakant und die Verabschiedung des Jahreshaushaltes verzögerte sich. Diese wichtigen Punkte wurden alle in der ersten Jahreshälfte gelöst.

Auch das Mandat der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine konnte im März für ein weiteres Jahr verlängert werden und das Missionsbudget um sieben Prozent aufgestockt werden.

Durch die Einberufung einer eigenen Arbeitsgruppe zu Beginn des Jahres hat Sebastian Kurz auch erfolgreich zur Umsetzung des in Hamburg vereinbarten strukturierten Dialoges zu militärischen Sicherheitsfragen beigetragen. Der Dialog soll einen Beitrag zur Vertrauensbildung leisten sowie zur Intensivierung von Kontakten des Militärs zwischen Russland und dem Westen führen. Das neue Dialogformat ist angesichts der sich zuspitzenden militärischen Spannungen und der Lähmung des NATO-Russland-Rates von besonderer Wichtigkeit.

Auch im Konflikt zwischen der abtrünnigen Region Transnistrien und der Republik Moldawien wurden während des österreichischen OSZE-Vorsitzes Fortschritte erzielt. Anfang November wurde eine wichtige Brücke über den Fluss Dnjestr wiedereröffnet, die eine Hauptverkehrsverbindung zwischen Moldawien und Transnistrien darstellt.

Die Chefunterhändler aus Chisinau und Tiraspol bekannten sich zudem zu einer Reihe an weiteren Maßnahmen, wie etwa zur Anerkennung von Hochschulzeugnissen der Universität Tiraspol, und zur Wiederherstellung von Telefonverbindungen zwischen Transnistrien und Moldawien. Eine weitere Lösung betrifft auch die landwirtschaftlichen Flächen, die im Grenzgebiet liegen, und für Bauern bisher nur schwer zugänglich waren. Auch beim Betrieb von transnistrischen Schulen, in denen nicht die kyrillische, sondern die lateinische Schrift unterrichtet wird, konnte man sich einigen.

Kampf gegen Radikalisierung

Eine der wichtigsten Prioritäten des österreichischen Vorsitzes war der Kampf gegen Radikalisierung und gewaltsamen Extremismus. Professor Peter Neumann vom Londoner Kings College, der von Kurz zum Sonderbeauftragten ernannt worden war, erarbeitete einen umfassenden Bericht zu diesem Thema. Es ist jedoch nicht gelungen, beim Ministerrat eine dazu vom österreichischen Vorsitz aufgelegte gemeinsame Erklärung zu verabschieden. Somit kommen der OSZE auch keine zusätzlichen Aufgaben in diesem Bereich zu.

Innenpolitisch gab es während des OSZE-Vorsitzjahres große Veränderungen in Österreich. Im Mai wurde Sebastian Kurz zum neuen ÖVP-Parteichef ernannt, vorgezogene Neuwahlen fanden im Oktober statt. Dadurch war ab dem Herbst und der Intensivwahlkampfzeit eine gewisse Abwesenheit des Vorsitzenden spürbar. Die tägliche Arbeit des OSZE-Vorsitzes wurde dadurch aber nicht beeinträchtigt.