Zum Hauptinhalt springen

Wirtschaft drängt auf Schwarz-Rot

Von Alexander Dworzak

Politik

Arbeitgeber in Deutschland sehen Spielraum für hohe Steuerentlastung.


Berlin/Wien. Als Fraktionschef musste Thomas Oppermann in der vergangenen Legislaturperiode für die SPD die Reihen schließen und auch unangenehme Kompromisse mit den Koalitionspartnern CDU und CSU den eigenen Abgeordneten schmackhaft machen. Mittlerweile ist der 63-Jährige Vizepräsident des Bundestages, doch abermals in der Rolle, die Genossen auf Schwarz-Rot einzustimmen. Das bedeutet auch eine Absage an die Idee des linken Parteiflügels, der eine Kooperations-Koaliton mit wenigen gemeinsamen Projekten und wechselnden Mehrheiten ins Spiel gebracht hat. "Bei wechselnden Mehrheiten hat die linke Mitte in einem Bundestag mit einer rechten Mehrheit von über 400 Mandaten nur wenig zu bestellen", verwies Oppermann auf Twitter trocken auf die Mehrheitsverhältnisse im 709-köpfigen Bundestag.

Oppermanns Nachfolgerin an der Spitze der Fraktion, Andrea Nahles, ließ im Gegensatz zu Parteichef Martin Schulz die Tür zu Schwarz-Rot stets offen. Nahles und Schulz loteten am Mittwoch beim ersten Gipfel der Partei- und Fraktionschefs mit CDU und CSU die Koalitionsperspektiven aus. Die Union teilte danach mit, sie strebe eine Sondierung mit der SPD an. Die Sozialdemokraten wollen darüber am Freitag in ihren Gremien beraten.

Für eine stabile Regierung plädieren der Bundesverband der Deutschen Industrie sowie 26 Mittelstandsverbände. "Unser Land kann sich keine Hängepartie bei der Regierung leisten - weder national noch international", schrieben die 26 in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel.

Weg mit dem "Soli"

Die Verbände kritisieren, die Belastungen für den Mittelstand durch Bürokratie seien gestiegen. In einem Zehn-Punkte-Katalog für einen Koalitionsvertrag ist unter anderem die ersatzlose Streichung des Solidaritätszuschlages genannt. Dieses Thema heftete sich die FDP bei den letztlich gescheiterten Sondierungen für eine Jamaika-Koaliton mit CDU, CSU und Grünen an ihre Fahnen. Die 1991 eingeführte Steuer für den Aufbau des Ostens der Bundesrepublik ist nicht zweckgebunden und wird vor allem für Sozialausgaben benutzt. Entfiele der "Soli", würden die Bürger mit einem Schlag um 17,6 Milliarden Euro entlastet werden - alleine die obersten zehn Prozent der Bruttoeinkommen um 10,8 Milliarden Euro, berechnete der "Spiegel". Kleine und mittlere Einkommen würden eher von indirekten Steuersenkungen wie einer geringeren Mehrwertsteuer profitieren.

41 Milliarden Euro Entlastungspotenzial bis zum Ende der Legislaturperiode 2022 sieht das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), wenn der "Soli" ab 2020 abgeschafft wird. Das bedeutete zugleich eine Entlastung von Unternehmen, die wegen der US-Steuerpläne vor einem härteren Wettbewerb stünden, sagte der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hubertus Pellengahr. Der Zusammenschluss der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie hatte die IW-Studie beauftragt. Laut dieser bringe eine Reform der Einkommensteuer ab 2019 weitere 27 Milliarden Euro.

Während das IW also Entlastungspotenzial in Höhe von 68 Milliarden Euro konstatiert, kommt der deutsche Bundesrechnungshof auf lediglich 45 Milliarden Euro. Grundlage dafür sind die Zuwächse bei gewinnabhängigen Steuern sowie der von der Bundesregierung genannte Puffer im Haushaltsentwurf. Um weitere 45 Milliarden Euro könnte das Budget entlastet werden, wenn Subventionen gestrichen würden. Rechnungshof-Präsident Kay Scheller nannte als Beispiele mit Energiebesteuerung und Dieselfahrzeuge ausgerechnet zwei politisch heikle Bereiche.

Hohe Nachfrage dank Zinstief

Auch wenn die Zahlen weit auseinandergehen, ist politisch unbestritten, dass Bürger und Unternehmen entlastet werden sollen. Schließlich vermeldet das Bundesamt für Arbeit Monat für Monat Rekordzahlen: Knapp 2,4 Millionen Menschen waren im November ohne Job, das ist der niedrigste Wert für diesen Monat seit dem Jahr 1991. Die Arbeitslosenquote beträgt nur 5,3 Prozent. Allerdings sind rund 860.000 Personen seit mehr als einem Jahr ohne Arbeit und bleiben wohl nur schwer vermittelbar.

Die sozialversicherungspflichtigen Stellen haben wiederum ein Rekordhoch erreicht. Angesichts der niedrigen Zinsen konsumieren die Bürger mehr, wodurch das Wachstum steigt. Je nach Forschungsinstitut und Berechnungsmethode ist beim Bruttoinlandsprodukt 2017 ein Plus um 1,9 bis 2,2 Prozent zu erwarten. "Getragen von der florierenden Industriekonjunktur dürfte die deutsche Wirtschaft auch im Jahresschlussquartal 2017 auf kräftigem Expansionskurs bleiben", resümierte die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht.

All das ist unter einer stabilen schwarz-roten Regierung erzielt worden, nur wenige Wirtschaftsbosse haben daher Lust auf Neuwahlen mit ungewissem Ausgang oder eine Minderheitsregierung. Einer von ihnen ist ausgerechnet der Präsident des Wirtschaftsrates der Christdemokraten, Keksunternehmer Werner Michael Bahlsen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die große Koalition sei zu teuer: "Es ist einfach gruselig, was die Sozialdemokraten alles an sozialpolitischen Maximalforderungen aufgestellt haben."