Brüssel. Das Europaparlament hat die "demokratische Opposition" in Venezuela mit seinem diesjährigen Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Der Preis sei für die Mitglieder der demokratisch gewählten Nationalversammlung und die politischen Häftlinge in dem Land bestimmt, sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani an Mittwoch.

Das Europaparlament zeige damit, dass es an dem Prinzip der Gewaltenteilung festhalte - der Grundlage jeder Demokratie, betonte Tajani. Er begrüßte im Straßburger Plenarsaal den Präsidenten der de facto entmachteten venezolanischen Nationalversammlung, Julio Borges, und den früheren Bürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma, der im Frühjahr 2015 mehrere Monate in Haft und anschließend unter Hausarrest war, bis er im November schließlich nach Spanien flüchtete. Sie nahmen die Auszeichnung stellvertretend für alle Mitglieder des Parlaments sowie für politische Häftlinge in dem Land entgegen.

"Autoritäres System"

Der Preis sei dem gesamten venezolanischen Volk gewidmet, sagte Borges - den Menschen, die nicht genug zu essen hätten, und jenen, die aus dem Land geflüchtet seien. Er zeichne auch die rund 350 politischen Gefangenen in Venezuela aus sowie die 157 Menschen, die bei Protestkundgebungen gegen die linksnationale Regierung unter Präsident Nicolás Maduro getötet worden seien.

Der 48 Jahre alte Borges zeichnete ein düsteres Bild von der Lage in dem ölreichen Land: Die Politik der Regierung Maduro habe zu einer schweren humanitären Krise geführt, der Hunger sei "ein ständiger Gast", es fehle an lebensnotwendigen Medikamenten, sagte er. Der 62-jährige Ledezma sagte, in Venezuela gebe es keine Rechtsstaatlichkeit mehr, sondern ein "autoritäres System". Das Land sei reich und habe große Erdölvorkommen. Trotzdem verhungerten in Venezuela Kinder.

Die Linksfraktion und ein Teil der Grünen-Fraktion im Parlament boykottierten die Preisübergabe. Sie kritisieren die Entscheidung, für die Auszeichnung hatten sich im Europaparlament vor allem die Konservativen starkgemacht.

In der Endrunde für den diesjährigen Preis waren auch der seit 2001 in Eritrea inhaftierte schwedisch-eritreische Journalist Dawit Isaak sowie die Menschenrechtsaktivistin Aura Lolita Chàvez Ixcaquic aus Guatemala.

Der nach dem russischen Dissidenten und Physiker Andrej Sacharow (1921-1989) benannte und mit 50.000 Euro dotierte Preis wird vom Europaparlament seit 1988 an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.