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Ein Schritt näher zum EU-Austritt

Von Martyna Czarnowska aus Brüssel

Politik

Staats- und Regierungschefs wollen Brexit-Verhandlungen in die nächste Phase bringen.


Brüssel. Theresa May hat es nun schwarz auf weiß. Die britische Premierministerin hatte darauf gedrängt, dass die EU Verhandlungen über ein späteres Handelsabkommen mit dem Königreich beginnt. Nach monatelangen Brexit-Gesprächen haben 27 Staats- und Regierungschefs festgestellt, "dass die Fortschritte ausreichen, um die zweite Phase hinsichtlich des Übergangs und des Rahmens für die künftigen Beziehungen einzuleiten". Das ist im Schlussdokument des zweitägigen EU-Gipfeltreffens zu lesen, das am Freitag zu Ende ging.

Damit sei "ein wichtiger Schritt" zu einem geregelten EU-Austritt ihres Landes gesetzt, freute sich May. London arbeite nun daran, den bestmöglichen Handelsvertrag abzuschließen und gleichzeitig die Kontrolle über die Einwanderung zurückzugewinnen. Ebenso soll eine Übergangszeit nach der Trennung Großbritanniens von der Gemeinschaft vereinbart werden, die vor allem für die britische Wirtschaft und etliche europäische Unternehmen wesentlich ist. May hatte als Frist zwei Jahre vorgeschlagen. In dieser Zeit soll das Königreich weiter an der Zollunion und am Binnenmarkt teilnehmen - und muss damit auch die Freizügigkeit von Arbeitgebern beispielsweise akzeptieren.

Einige Fragen gilt es aber noch in der ersten Phase der Brexit-Verhandlungen zu klären. Zu diesen Knackpunkten hat es erst in der Vorwoche einen ersten Kompromiss gegeben. Es geht um die Rechte von Millionen EU-Bürgern, die auf der Insel leben und arbeiten, um die finanziellen Verpflichtungen des scheidenden EU-Mitglieds sowie um die Grenze zwischen Irland und Nordirland, wo es keine Kontrollen geben soll. Die britischen Zusagen müssten aber "voll und ganz eingehalten und so schnell wie möglich getreu in Rechtsbestimmungen niedergelegt werden", heißt es in der Gipfelerklärung. Wie hoch die Austrittsrechnung sein könnte, ist im Text freilich nicht festgehalten.

Die EU-Kommission soll nun Empfehlungen für die Übergangsphase ausarbeiten, über die ab Anfang des kommenden Jahres debattiert werden könnte. Sollte der Plan eingehalten werden, müssten die Verhandlungen bis Herbst abgeschlossen sein, damit auch das EU-Parlament den Austrittsvertrag absegnen kann. Für den scheidenden österreichischen Bundeskanzler Christian Kern ist diese zeitliche Vorgabe "unglaublich ambitioniert". Seine Amtskollegin, die geschäftsführende deutsche Kanzlerin Angela Merkel, sprach von einem "noch härteren Stück Arbeit", das in der zweiten Phase der Verhandlungen mit London beginnt.

Reformen für die Eurozone

Vorangetrieben soll nun auch ein weiteres Projekt werden: die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zu einem gesonderten Euro-Gipfel geladen, und den nächsten möchte er schon im März des kommenden Jahres einberufen. Bis Juni sollen sich dann Lösungen in Streitthemen abzeichnen. Von diesen gibt es allerdings noch einige. Den Wunsch Frankreichs nach einem eigenen Budget für die Eurozone etwa teilen etliche Länder nicht. Auch die Etablierung eines Finanzministers für die Währungsgemeinschaft ist nicht unumstritten. Realistischer scheint da schon, dass die Staaten vereinbaren könnten, den Euro-Rettungsschirm ESM in einen europäischen Währungsfonds umzuwandeln.

Trotz der Differenzen will Deutschland mit Frankreich zusammenarbeiten, betonte Merkel bei einem Presseauftritt mit ihrem Amtskollegen Emmanuel Macron. Denn wenn die beiden Nachbarn keine gemeinsame Haltung haben, "kommt Europa nicht voran". Immerhin sind sich die EU-Staaten einig, die Bankenunion zu vollenden. Doch selbst da gibt es Einwände in Deutschland, wo umstritten ist, ob die nationalen Systeme zur Einlagensicherung durch einen gesamteuropäischen Mechanismus ergänzt werden sollen. Um die Zwistigkeiten nicht noch zu vergrößern, empfahl Tusk, sich auf jene Gebiete zu konzentrieren, "wo die Übereinstimmung am größten ist".