Zum Hauptinhalt springen

Der Dialog, den sie meinen

Von Konstanze Walther

Politik

Bei der Wahl in Katalonien haben sich viele Wähler für Puigdemont entschieden, weil er ganz Spanien herausgefordert hat.


Madrid/Barcelona. "Die spanische Regierung möchte gerne den Dialog anbieten", sagt der spanische Regierungschef Mariano Rajoy. Er zuckt merklich mit dem Auge. "Möchte" ist in dem Fall wahrscheinlich ein Euphemismus. Denn das Wahlergebnis in Katalonien ist weit weg von dem, was sich Madrid gewünscht oder erhofft hatte.

Und wenn Rajoy den Dialog anbietet, macht er dennoch im nächsten Satz klar: Der Dialog, den er meint, "muss sich immer innerhalb der Gesetze bewegen". Innerhalb der Gesetze ist die Parole der Gegner der Abspaltung der katalanischen Region. Denn eine Sezession oder eine Abstimmung darüber ist laut der spanischen Verfassung verboten - die von der Unteilbarkeit des spanischen Staates ausgeht.

Bei den vorgezogenen Regionalwahlen in Katalonien haben zusammengenommen die drei separatistischen Parteien beziehungsweise Bündnisse einmal mehr die absolute Mehrheit davongetragen. Von den 135 Sitzen konnten sie 70 für sich gewinnen. 2015 waren es allerdings noch 72. Und 2012 waren es sogar 74. Damals war die Unabhängigkeit aber nur ein Slogan.

Für Rajoy verlieren die separatistischen Parteien zwar Zulauf, "aber nicht so schnell, wie es uns lieb wäre", gibt er auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl zu. Eines sei durch die Wahlen umso deutlicher geworden: "Niemand kann im Namen von Katalonien sprechen. Katalonien ist kein Monolith, Katalonien ist pluralistisch", richtet Rajoy klar an die Adresse der Separatisten. Und er als Präsident der spanischen Regierung - wie der Premier offiziell genannt wird - bemühe sich, alle Wünsche zu berücksichtigen. Sofern sie sich "innerhalb der Gesetze" bewegen.

Rajoy hat schon oft diesen Dialog angeboten. Kataloniens abgesetzter Regierung war das kategorische Ausschließen einer Unabhängigkeit immer zu wenig. Kataloniens abgesetzter Präsident Carles Puigdemont ließ ebenfalls auf dem Weg der Eskalation immer wieder wissen, dass er der spanischen Regierung die Hand zum Dialog ausstrecke. Doch Madrid wollte nicht über das Unaussprechliche reden. Und so hatten sich beide Seiten den Anschein gegeben, bereit zu sein, nach Lösungen zu suchen, ohne aber Kompromisse einzugehen.

Auch am Freitag ging das Spiel weiter. Noch vor der Pressekonferenz Rajoys ließ der geflüchtete ehemalige Präsident Kataloniens von Brüssel aus wissen, dass er bereit sei, sich mit Rajoy "irgendwo in Europa, außer in Spanien" zu treffen - denn schließlich ist in Spanien ein Haftbefehl wegen Rebellion, Aufruhr und der Veruntreuung von öffentlichen Geldern gegen ihn ausgestellt worden. Der Aufenthalt im Heimatland ist also nicht unproblematisch. Das weiß auch Rajoy. Der spanische Premier nahm die Frage, ob er sich mit Puigdemont außerhalb von Spanien treffen will, für eine Spitze gegen den verhassten Katalanen zum Anlass: Er, Rajoy, "würde sich gerne mit der Wahlsiegerin treffen". Denn die "Señora Inés Arrimadas", Vorsitzende der liberalen Ciudadanos, die dezidiert gegen die Unabhängigkeit sind, habe schließlich "nicht nur die meisten Sitze, sondern auch die meisten Stimmen" erhalten.

Trotzdem scheint es für die stärkste Partei Ciudadanos unmöglich, bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen eine Regierung der Unabhängigkeitsgegner zu bilden. Falls sich wieder eine Regierung bildet, werde es wohl wieder eine der Unabhängigkeitsbefürworter werden. Größte Überraschung ist, dass das Bündnis von Puigdemont den Favoriten ERC klar hinter sich gelassen hat. Die republikanische Linke gab sich wohl in der Vergangenheit zu konziliant für jene, die richtig wütend auf Madrid waren. Denn die ERC betonte zuletzt den Dialog.

Ein Präsident, der nicht angelobt werden kann

Anders Puigdemont, der immer erklärt hatte, man müsse sofort dort weitermachen, wo man unterbrochen worden war - nämlich bei der Ausrufung der Unabhängigkeit. Puigdemont habe sich wenigstens etwas getraut, heißt es unter seinen Anhängern in den Foren der Medien. Er habe den ganzen spanischen Staat herausgefordert. Für andere wiederum ist er ein Feigling, der seine Wähler für dumm verkauft.

Eine offene Frage ist, wie Puigdemont denn eine Regierung führen kann, wo ihm doch bei Rückkehr die U-Haft droht. Eine Theorie ist, dass er die Regierungsgeschäfte an jemanden verleihen könne. Aber er müsste trotzdem zur Angelobung physisch ins Parlament. Und dann wäre er auf die Kulanz der Richter angewiesen.

Rajoy machte klar, dass er sich nicht damit beschäftigen will, wie Puigdemont das Regieren ermöglicht wird: "Um Präsident Kataloniens zu sein, muss man in der Lage sein, seinen Sitz im Parlament einnehmen zu können", sagte Rajoy lapidar. Wie und ob Puigdemont sowie die anderen U-Häftlinge weitermachen - etwa ERC-Vorsitzender Oriol Junqueras -, sei nicht seine Sache, sondern die der Justiz.

Am Freitag hat diese Justiz Anklage unter anderem gegen die Nummer zwei der ERC, Marta Rovira, erhoben, sowie gegen den Ex-Präsidenten Artur Mas. Gegen den katalanischen Fußballtrainer Josep Guardiola wird ebenfalls wegen Rebellion ermittelt.