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Abstimmen und abwatschen

Von Alexander Dworzak

Politik

Die Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD starten offiziell erst am Sonntag, die Parteien führen aber bereits Gespräche. Derweil richten einander bayerische Christsoziale und Sozialdemokraten Unfreundlichkeiten aus.


München/Wien. Die beste Schule des politischen Wadlbeißens hat Alexander Dobrindt erfolgreich absolviert: als Generalsekretär einer Partei. Vier Jahre, von 2009 bis 2013, hatte er den Posten in der CSU inne. Danach wechselte der Oberbayer nach Berlin, wurde Verkehrsminister und gab sich staatsmännisch. Bei den letztlich gescheiterten Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen blitzten Dobrindts alte Qualitäten wieder auf, Positionen der Öko-Partei brandmarkte er als "Schwachsinnsthemen". Und auch vor Beginn der Sondierungen mit der SPD am Sonntag bleibt der 47-Jährige dieser Linie treu.

Asylverfahren "harmonisieren"

In der Flüchtlingspolitik, zu Verteidigungsausgaben und zur Zukunft Europas lancierten die Christsozialen unter seiner Federführung zuletzt markante Gegenpositionen zur SPD. Diese finden sich in der Beschlussvorlage für die Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Die Parlamentarier stimmen sich von Donnerstag bis Samstag in Seeon ab. Und Dobrindt ist mittlerweile deren Chef, er führt die bayerische Delegation in Berlin an.

So will die CSU die Asylverfahren und auch die Standards bei der Versorgung und Unterbringung europaweit "harmonisieren" - also in Deutschland verschlechtern. Dort sollen Asylwerber nicht mehr 15 Monate verringerte Sozialleistungen erhalten, sondern künftig bis zu drei Jahre. Für abgelehnte Asylwerber soll es in Zukunft fast nur noch Sachleistungen geben. Beim Verteidigungsbudget will sich die CSU am Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts orientieren. Das bedeutet Mehrausgaben in Höhe von mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr. Die Sozialdemokraten empfinden diese Idee als Zumutung: "Wir brauchen mehr Wohnungen und nicht mehr Panzer", sagte deren Vize Natascha Kohnen. Und schon gar nichts können die Christsozialen mit der Idee von SPD-Chef Martin Schulz anfangen, die EU bis 2025 in Vereinigten Staaten von Europa umzuwandeln.

"Mal wieder verbale Kraftmeiereien der CSU aus Bayern", zog ein anderer SPD-Vize, der Parteilinke Ralf Stegner, am Mittwoch auf Twitter vom Leder - und attestierte der CSU, sie wolle "das eigene Lederhosen-Publikum bespaßen". Stegner erteilte im Radiosender RBB auch geringeren Sozialleistungen für Flüchtlinge eine Absage. Angela Merkels CDU schweigt derweil.

Sind die Streiterein zwischen SPD und CSU bloß Geplänkel, um die Unzufriedenen in den eigenen Reihen ruhigzustellen? CSU-Chef Horst Seehofer vermittelte am Mittwoch diesen Eindruck, er sprach von "normaler Begleitmusik" und versicherte: "Wir werden alles tun in diesen Gesprächen, dass es zu vernünftigen Vereinbarungen kommt." Doch Seehofer ist der starke Mann der CSU gewesen, vom designierten Ministerpräsidenten Markus Söder ist derartiges über Schwarz-Rot nicht überliefert; ebenso wenig von Alexander Dobrindt. Beide schielen vor allem auf die AfD-Wählerschaft und forcieren einen prononciert konservativen Kurs.

Seehofer kokettiert mit Parteitag

Andererseits liegt die Bundestagswahl mehr als drei Monate zurück, die Bürger und die Regierungen in den anderen EU-Ländern warten auf eine funktionsfähige Koalition in Berlin. Das wissen die Verhandlungsführer auf allen Seiten, entsprechend knapp bemessen ist der Zeitplan. Am Mittwoch trafen einander CDU und CSU, später kam die SPD zu "technischen Gesprächen" hinzu. Bereits am Donnerstag kommender Woche sollen die Sondierungen abgeschlossen werden.

Zumindest in einem Punkt haben sich Christsoziale und SPD angenähert. Anschließend entscheidet die SPD bei einem Parteitag am 21. Jänner, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Seehofer brachte auch ein Delegiertentreffen der CSU ins Spiel: "Vielleicht brauchen wir selbst einen Parteitag."