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In Prag wäscht eine Hand die andere

Von Klaus Huhold

Politik

Die kommenden Tage sind entscheidend für Tschechiens Zukunft. Wird das Duo Babis-Zeman das Land anführen?


Prag. Milos Zeman macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. "Jedes Mal, wenn ein Politiker seine Meinung sagt, dann spaltet er die Gesellschaft", erklärte er einmal gegenüber dem tschechischen Fernsehen. "Die einzige Möglichkeit, die Gesellschaft nicht zu spalten, bestünde darin, keine Meinung zu haben. Aber wozu braucht man einen Präsidenten, der keine eigene Meinung hat?" So legt der einstige Sozialdemokrat auch oft sein Amt an: Er moderiert politische Konflikte nicht, sondern nimmt klar Stellung und Partei. Und im jüngsten Streit, den die tschechischen Parteien gerade untereinander austragen, hat sich Zeman hinter den Milliardär und Vorsitzenden der Bewegung ANO, Andrej Babis, gestellt.

Babis war Mitte Dezember samt seiner Minderheitsregierung von Zeman vereidigt worden. ANO hatte die Parlamentswahl im Oktober mit fast 30 Prozent der Stimmen gewonnen, aber es nicht geschafft, genügend andere Parteien für ein gemeinsames Kabinett zu gewinnen. Denn fast sämtliche politischen Kräfte, von der neoliberalen ODS über Karel Schwarzenbergs Top 09 bis hin zu den Sozialdemokraten, wollen nicht mit dem gebürtigen Slowaken zusammenarbeiten. Sie begründen das damit, dass die tschechische Polizei gegen Babis ermittelt und die Behörden die Aufhebung seiner Immunität fordern. Untersucht wird, ob Subventionsgelder der EU in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu Unrecht an ein Wellness-Ressort geflossen sind.

Für Zeman war das kein Hindernis, Babis zu unterstützen. Die Politiker sollten sich nicht zu Polizisten und Richtern machen, sagte er. Außerdem habe ANO die Parlamentswahlen gewonnen, weshalb deren Vorsitzender Babis auch Regierungschef sein sollte, betonte Zeman. "Ich hasse die Umgehung dieser Regel."

Der Staatschef hatte am Mittwoch im Parlament gesprochen, bevor die Abgeordneten zur Vertrauensabstimmung über das Kabinett von Babis schritten. Die Sitzung dauerte den ganzen Tag, wurde dann aber in den Abendstunden auf Dienstag, den 16. Jänner, verschoben. Sollte Babis bis dahin genügend Unterstützung finden, könnte er eine Minderheitsregierung anführen. Als viel wahrscheinlicher gilt aber, dass er scheitert.

Gute Position für ANO

Für diesen Fall hat Zeman bereits angekündigt, dass er abermals Babis, dessen Kabinett vorerst provisorisch im Amt bliebe, zum Premier ernennen will. Allerdings hat er das diesmal an eine Bedingung geknüpft: Babis müsse ihm garantieren können, dass er mindestens 101 der 200 Abgeordneten, also eine Mehrheit, hinter sich hat.

Der 63-Jährige kann durchaus darauf spekulieren, dass er im Laufe der Zeit noch eine Mehrheit schmiedet: Denn eine Koalition ohne ANO ist nicht in Sicht. Und Neuwahlen müssen die meisten anderen Parteien wesentlich mehr fürchten als Babis. Dass er die Korruptionsvorwürfe als politische Intrige abtut, hat schon bei der Parlamentswahl im Oktober bei vielen Wählern verfangen. Sollte es zu einem erneuten Urnengang kommen, kann der geschickte Rhetoriker nun gar mit noch mehr Stimmen rechnen, während viele andere Parteien noch tiefer zu fallen drohen.

Es sind daher mehrere Varianten denkbar: dass Babis doch noch Koalitionspartner findet. Dass einige Abgeordnete den Saal bei der Abstimmung verlassen und das erforderliche Quorum dadurch senken könnten, sodass Babis zum Premier gewählt wird.

Zudem haben sich einige Parteien zu einer Zusammenarbeit mit ANO unter der Bedingung bereit erklärt, dass Babis nicht Premier wird. Dieser wäre dann aber eine Art Schattenkanzler, ist doch ANO auf ihn zugeschnitten und auch finanziell von ihm abhängig.

Ein wichtiger Spieler wird der Präsident bleiben, und hier ist noch nicht ganz klar, ob dieser auch in Zukunft Milos Zeman heißen wird. Am Freitag findet die erste Runde der Präsidentenwahl statt. Obwohl er bereits 73 Jahre alt und gesundheitlich sichtlich angeschlagen ist, tritt Zeman noch einmal an. Ihm werden auch - insgesamt bewerben sich neun Kandidaten - die meisten Stimmen für den ersten Wahlgang vorausgesagt. Die Meinungsforscher haben sich bereits festegelegt, wer sein Gegenkandidat bei einer Stichwahl, die zwei Wochen später stattfinden würde, sein würde: der frühere Chef der Akademie der Wissenschaften, Jiri Drahos.

Der Chemiker ist genau das Gegenteil des polternden Amtsinhabers: Er agiert ruhig und besonnen. Ein Präsident sollte die Bevölkerung einen und nicht spalten, sagt Drahos und hebt sich damit von Zeman ab. Damit könnte der 68-jährige Zeman gefährlich werden - manche Meinungsforschungsinstitute favorisieren Drahos sogar bei der Stichwahl.

Nie dagewesene Machtfülle

Auch vor diesem Hintergrund ist die Unterstützung von Zeman für Babis zu sehen: Der Staatschef will damit Stimmen gewinnen. Von ihrer Struktur her ähneln sich die Wähler von Babis und Zeman: viele Pensionisten, viele Arbeiter, viel ländliche Bevölkerung. Hier wäscht derzeit eine Hand die andere: Denn ANO hat wiederum keinen einen eigenen Kandidaten aufgestellt. Dieser hätte vor allem Zeman Stimmen gekostet. Auch die Politiker Babis und Zeman sind sich ähnlich: Sie haben beide ein großes Selbstbewusstsein, eine lockere Zunge und polarisieren enorm. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob dieses Duo Tschechien die nächsten Jahre führen wird.

Ein Premier Babis würde eine Machtfülle besitzen, wie es das Land seit der Wende 1989 noch nicht gesehen hat. Nicht nur wäre er Regierungschef. Untrennbar mit dem zweitreichsten Mann des Landes verwoben ist auch der Konzern Agrofert, den er hochzog und der seit einem Jahr treuhänderisch verwaltet wird. Agrofert, einer der größten Arbeitgeber des Landes, ist vor allem im Agarbereich tätig, besitzt mittlerweile aber auch Tageszeitungen und den größten Radiosender. Babis bündelt somit politischen, medialen und geschäftlichen Einfluss. Und ein Präsident, der Zeman heißt, würde wohl wenig daran auszusetzen haben.