Wien/Paris. (apa) Es wird vor allem um die Zukunft der Europäischen Union gehen, wenn Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am morgigen Freitag nach Paris reist. Der Besuch bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist das erste bilaterale Treffen im Ausland, das Kurz unternimmt. Der Österreicher besucht mit Macron den Hoffnungsträger des pro-europäischen Lagers und den starken Mann der EU.
Und sowohl Macron als auch Kurz haben 2017 angekündigt, die EU reformieren zu wollen. Der französische Präsident hatte im September in seiner viel beachteten Sorbonne-Rede zur Zukunft der EU auf einen Integrationsschub gedrängt. Der damalige Außenminister Kurz reagierte damals positiv auf die Vorschläge. In Fragen der Sicherheits- und der Migrationspolitik könne man sich treffen, so der Österreicher. Macron habe hier "goldrichtige" Vorschläge geliefert.
Kurz wies allerdings auch auf rote Linien hin. Konkret deutete er auf Macrons Idee einer Sozialunion, die er bereits im Vorfeld der Frankreich-Wahl kritisiert hatte. "Wie soll das funktionieren?", so Kurz im Mai. "Soll das bedeuten, dass wir in Österreich auf rumänische Niveaus absinken oder dass man in Rumänien dann doppelt so viele Sozialleistungen bekommt? Wenn ja, wer soll das bezahlen?" Auch mit der von Macron geforderten vertieften Integration im Wirtschaftlichen dürfte der ÖVP-Chef seine Probleme haben, der im Februar eine Renationalisierung von Kompetenzen in diesem Bereich gefordert hatte.
Heikler Punkt: Finanzen
Ein besonders heikler Punkt bei den Pariser Gesprächen wird der mehrjährigen EU-Finanzrahmen nach 2020 sein, der unter österreichischem EU-Ratsvorsitz ausverhandelt wird. Macron hatte in seiner Sorbonne-Rede betont, dass man für den Integrationsschub, und die angedachte Schaffung eines eigenen Budgets für die Eurozone, mehr Geld in die Hand nehmen müsse. Kurz drängt dagegen auf Kürzungen im EU-Budget und argumentiert damit, dass die EU durch den Brexit kleiner wird. Wie sein Sprecher im Vorfeld der Paris-Reise betonte, will der Kanzler verhindern, dass Österreich nach dem Brexit als EU-Nettozahler Mehrbelastungen entstehen.
An einem Strang ziehen die beiden Staatsmänner hingegen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Laut einem Sprecher des Kanzlers wird auf diesen Fragen der Schwerpunkt der Gespräche in Paris liegen. Der französische Präsident wirbt für eine EU-Asylbehörde und eine europäische Grenzpolizei. Auf diese Weise sollen Asylanträge schneller bearbeitet und Abschiebungen rasche durchgeführt werden können. Während sich Kurz wenig kompromissbereit gibt, zeigt sich Macron nachgiebiger. "Es ist unsere gemeinsame Pflicht als Europäer, denjenigen Flüchtlingen, die bei sich zuhause und unterwegs ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, einen Platz einzuräumen, und diese Pflicht dürfen wir nicht aus den Augen verlieren", so Macron in seiner Sorbonne-Rede. Kurz brachte auch EU-Ratspräsident Donald Tusk Verständnis entgegen, als dieser im Vorfeld des EU-Gipfels im Dezember die verpflichtenden Quoten bei der Aufteilung von Flüchtlingen kritisierte. Macron hingegen fordert mehr Solidarität innerhalb der EU ein.