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Farage plädiert für zweites EU-Referendum

Von Peter Nonnenmacher

Politik

"Wendepunkt" im Streit um den Brexit? Tory-Brexiteers sind empört, Pro-Europäer wittern erstmals eine Chance.


London. Stürmische Reaktionen hat am Donnerstag der frühere Ukip-Vorsitzende Nigel Farage mit der Bemerkung ausgelöst, ein zweites EU-Referendum könne sich als nötig erweisen. Brexit-Hardliner aus dem Regierungslager wiesen die Idee empört zurück.

Grossbritanniens Pro-Europäer befürworteten sie dagegen lebhaft – und sprachen von einem möglichen "Wendepunkt" im Streit um den EU-Austritt. Vom "Einschlag einer Bombe" war am Donnerstagabend im linksliberalen Guardian die Rede. Liberaldemokraten und andere Oppositions-Politiker wittern erstmals eine Chance, den britischen Austritt aus der EU noch ganz zu stoppen.

Die Aufregung hatte Farage verursacht, als er in einem Radiointerview völlig überraschend bekannte, einen "Gesinnungswandel" in der Frage einer erneuten Abstimmung zu durchlaufen. Er habe es satt, sich weiter das Gejammere Nick Cleggs, Tony Blairs und anderer anzuhören, die immer nur die Rückkehr zum Status Quo verlangten, sagte er.

"So vielleicht, vielleicht komme ich jetzt an einen Punkt, an dem ich denke, wir sollten ein zweites Referendum zur EU-Mitgliedschaft abhalten", meinte Farage. Gäbe es ein solches zweites Referendum, würde es seiner Überzeugung nach zu einer noch viel grösseren Mehrheit für den Austritt führen – und damit der Mitgliedschafts-Frage "die Luft abdrehen für die Dauer einer Generation".

Brexit-Befürworter waren sich mit Farage darin einig, dass sich die Pro-Brexit-Mehrheit bei einem zweiten Urnengang gegenüber 2016 noch vergrössern würde. Beim ersten Referendum hatten 52 Prozent für den Austritt und 48 Prozent für Verbleib in der EU gestimmt.

Letztlich sei aber ein erneuter Urnengang absolut nicht nötig und sogar äusserst schädlich, meinten Tories wie Brexit-Staatssekretär Steve Baker. Ex-Tory-Parteichef Iain Duncan Smith warf Farage vor, sich bloss "nach Art Donald Trumps" ins Rampenlicht setzen zu wollen. Auch Farages alte Partei distanzierte sich vom ihm.

Viele Brexiteers bezichtigten Farage gestern abend grollend "epischer Dummheit". Aber bei der rechtskonservativen Sun, einer kompromisslosen Brexit-Verfechterin, sah man ein zweites Referendum am Donnerstag erstmals als "wahrscheinlich" an. Der frühere Labour-Aussenminister David Miliband forderte seine Partei auf, sich der Herausforderung durch Farage couragiert zu stellen. Zumindest habe Farage erkannt, um wie viel es gehe beim bitteren Streit um Europa: "Wer für Verbleib in der EU ist, sollte nun denselben Mut der Überzeugung an den Tag legen wie er."