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Für Zeman wird es eng

Von Klaus Huhold

Politik
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Bei der Stichwahl zur Präsidentenwahl spricht vieles für Jiri Drahos, den Gegner des tschechischen Staatschefs.


Prag/Wien. Der Liedtexter und Millionär Michal Horacek war offenbar vor der ersten Runde der tschechischen Präsidentenwahl sehr optimistisch: Der Kandidat, der einst mit Wettbüros reich wurde, hatte schon die Plakatwände für die zweite Wahlrunde reserviert und auch bezahlt. Allerdings wurde er im ersten Durchgang, der am Wochenende stattfand, nur Vierter, weshalb er nicht in die Stichwahl einzog. Seine Plakatwände will der 65-Jährige nun verschenken - und zwar an den Universitätsprofessor und früheren Chef der Akademie der Wissenschaften, Jiri Drahos. Dieser wurde mit 26,6 Prozent der Stimmen Zweiter und tritt in zwei Wochen gegen Amtsinhaber Milos Zeman an, der mit 38,6 Prozent den größten Zuspruch erhielt.

Das Ergebnis ist nur auf den ersten Blick ein Erfolg für Zeman. Auf den zweiten Blick ist Drahos dem 73-Jährigen dicht auf den Fersen; manche tschechische Kommentatoren stellen sogar schon Rechenspiele an, die Drahos in Front sehen. Denn der 68-Jährige erhält enorm viel Unterstützung: Nicht nur Horacek, auch der an dritter Stelle platzierte Diplomat Pavel Fischer (10,2 Prozent), der an fünfter Stelle gelegene Arzt und linksliberale Aktivist Marek Hilser (8,8 Prozent) sowie Ex-Premier Mirek Topolanek (4,3 Prozent) haben sich hinter Drahos gestellt. Addiert man diese Stimmen der Unterstützer zu denen, die Drahos erhalten hat, ergibt das satte 59, 1 Prozent. Für Zeman hat sich lediglich der Musikproduzent Petr Hannig ausgesprochen, der nur 0,5 Prozent der Stimmen erhielt.

Duell der Gegensätze

Allerdings: Eine Wahlempfehlung ist noch keine fixe Stimme. Drahos selbst äußerte sich auch vorsichtig: "Die Arithmetik funktioniert nur in Schulheften so. Die Wahlarithmetik geht ganz anders", sagte der Chemiker, dessen Name mit 14 Patenten verbunden ist. Doch tatsächlich könnte ihm ein Großteil der Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zufallen: Denn weltbildlich steht Drahos diesen viel näher als Zeman. Der Akademiker tritt für ein Tschechien ein, das fest in EU und Nato verankert ist und sich an der westlichen Wertegemeinschaft orientiert. Zeman hingegen hat die EU immer wieder in rüdem Ton angegriffen und große Sympathien für Russland und China gezeigt. Er nannte die völkerrechtswidrige Annexion der Krim eine vollendete Tatsache und meinte bei einem Besuch in der Ein-Parteien-Diktatur China, dass man von der Volksrepublik lernen könne, "wie man ein System stabilisiert". Drahos kann darauf zählen, dass er als Anti-Zeman Wähler mobiliseren kann. Denn das Votum ist auch ein Referendum über den Amtsinhaber.

Zeman polarisiert. Der frühere Sozialdemokrat, der aus seiner Liebe zu Bier und Becherovka keinen Hehl macht, hat einen Hang zu beleidigenden Äußerungen. Politische Konflikte hat Zeman während seiner Amtszeit nicht moderiert, sondern er hat Partei bezogen und seine Meinung geäußert.

Der weltgewandte Drahos wiederum tritt als das Gegenbild von Zeman auf. Er wägt ab, redet bedacht und betont immer wieder, dass er ein Präsident sein will, der die Gesellschaft eint und nicht spaltet.

Zeman steht also mit dem Rücken zur Wand, weshalb einige tschechische Politologen schon warnen, dass das Land nun mit einem sehr schmutzigen Wahlkampf rechnen muss. Demnach darf sich der Kreml-Freund Zeman der Unterstützung der russischen Internet-Trolle sicher sein, und es steht zu befürchten, dass diese über die sozialen Medien Falschmeldungen verbreiten werden. Darüber hinaus hat Zeman schon bewiesen, dass er in Wahlkampfzeiten wenig Skrupel hat, untergriffig zu werden.

Hierbei könnte Zeman auf die Flüchtlingskarte setzen. Obwohl wenige Flüchtlinge im Land sind, 2016 beispielsweise gab es nur etwas mehr als 1000 Asylanträge, ist dies eines der präsentesten Themen. Eine EU-Flüchtlingsquote lehnt der Großteil der Bevölkerung vehement ab. Zwar hat sich auch Drahos kritisch über diese geäußert. Gleichzeitig hat er den Aufruf "Wissenschafter gegen Angst und Gleichgültigkeit" unterzeichnet, in dem für eine ausgewogene Debatte und einen humanen Umgang mit Flüchtlingen appelliert wird. Zeman hingegen hat sich scharf auf moslemische Flüchtlinge eingeschossen, die für ihn nur Invasoren und potenzielle Terroristen sind.

Es würde nicht verwundern, wenn Zeman nun Drahos auf diesem Feld angreift. Denn er muss mehr seiner potenziellen Wähler an die Urnen bringen, unter denen sich viele Pensionisten und Bürger aus einkommensschwächeren Schichten befinden. Er könnte auf den Faktor Angst setzen, um zu mobilisieren.

Neuland für Drahos

Dass Zeman nun offensiver werden will, zeigt sich auch daran, dass er sich einem TV-Duell mit Drahos stellen möchte. Vor dem ersten Durchgang ist Zeman derartigen Debatten demonstrativ ferngeblieben.

Bei solchen Duellen besitzt Zeman viel Erfahrung, und er ist dabei mit allen Wassern gewaschen. Für den Politquereinsteiger Drahos ist es hingegen Neuland. Zeman wird bei diesen Auseinandersetzungen wohl in gewohnter Manier auftreten: streitlustig, polemisch und untergriffig. Doch das könnte ihm nun auf den Kopf fallen, weil zu viele Tschechen genug davon haben. Was Zeman viele politische Siege und Wahlerfolge gebracht hat, könnte sich nun genau gegen ihn wenden.