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Distanz in Nebensätzen

Von Alexander Dworzak

Politik

Kurz und Merkel strichen etwa bei Flüchtlingspolitik Gemeinsamkeiten hervor - die Differenzen bleiben.


Berlin/Wien. Sebastian Kurz und Angela Merkel bemühten sich um gute Miene. Das fiel der deutschen Kanzlerin bei der Pressekonferenz mit ihrem österreichischen Amtskollegen am Mittwoch in Berlin sichtlich schwer. Einmal aber blitzte Merkels trockener Humor auf: Kurz, erstmals als Regierungschef in Berlin zu Gast, antwortete auf eine Journalistenfrage, die eigentlich Merkel gestellt wurde, über sich selbst: "Jung stimmt sicher, forsch wage ich zu bezweifeln." Und Merkel ergänzte launig: "Dynamisch würde ich an Ihrer Stelle nicht ablehnen."

Im Vier-Augen-Gespräch der beiden Regierungschefs gab es tatsächlich viel zu bereden. Und so traten Kurz und Merkel mit halbstündiger Verspätung vor die Kameras. "Wir arbeiten daran, dass wir gute Partner sind", sagte Merkel. Dieser Nebensatz, dass sie es nicht bereits sind, sprach für das distanzierte Verhältnis - vor allem in EU-Fragen. Schließlich amtiert in Wien nun eine Regierung, die sich nicht so stark an den Berliner Leitlinien orientiert, sondern auch eigene Akzente setzen will. "Wir wollen aktiv auf europäischer Ebene mitgestalten", bekräftige der Kanzler.

Dissens bei Flüchtlingsquote

In der Flüchtlingspolitik, dem Streitthema schlechthin zwischen Kurz und Merkel in den vergangenen Jahren, strichen beide Politiker ihre Gemeinsamkeiten heraus: Illegale Migration müsse reduziert, der Außenschutz an den Grenzen verstärkt und die Partnerschaft mit den Herkunftsländern intensiviert werden, führte Merkel aus. Bei der Umverteilung von Flüchtlingen kam der alte Dissens wieder zum Vorschein. Kurz bot sich als "Brückenbauer" zwischen Deutschland und den Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei an, die Flüchtlingsquoten strikt ablehnen. Wenn der Außengrenzschutz nicht funktioniere, könne es nicht sein, dass sich Länder nicht solidarisch beteiligen, kritisierte Merkel. Sie verwies auf das Prestigeprojekt des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei, das aufgrund Merkels massiver Bemühungen zustande gekommen war. Kurz konterte mit der Schließung der Balkanroute, ohne diese namentlich zu nennen: "Vieles, wofür ich kritisiert wurde, ist nun mehrheitsfähig."

Ambivalent sind auch die Ansagen von Kurz und Merkel in Finanzfragen. Beide betonten am Mittwoch, dass sich Österreich und Deutschland als Nettozahler in der Union eng abstimmen werden. Im Frühjahr starten die Verhandlungen über den siebenjährigen EU-Finanzrahmen nach dem Jahr 2020. Österreichs Nettobeitrag lag 2016 bei 791 Millionen Euro (0,23 Prozent der Wirtschaftsleistung), jener Deutschlands bei 12,9 Milliarden Euro (0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung). Mit Großbritannien scheidet der drittgrößte Nettozahler aus der Union aus.

Wie sich Kurz und Merkel abstimmen wollen, haben sie nicht ausgeführt. Aufgrund der bisherigen Positionen wird es ein sehr schwieriges Unterfangen. Schließlich steht im Sondierungspapier zwischen Merkels CDU, der CSU und der SPD: "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann." Kurz hingegen lehnt höhere Beiträge ab. Er erklärte am Mittwoch, man müsse sich fragen, wo die EU sparsamer, schlanker, effizienter werden könne. Gar nicht ging der Kanzler auf die Pläne von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein, der ein eigenes Budget für die Eurozone fordert, um Investitionen in Krisenländern anzuschieben. "Ich kann mir im Zusammenhang mit Reformen, die einzelne Euroländer durchzuführen haben, sehr wohl zusätzliche Mittel in begrenztem Umfang vorstellen", ließ sich Merkel entlocken. "Begrenzt" wäre jedoch weit von Macrons Ideen entfernt. Diesem schweben nämlich mehrere Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone vor. Bereits ein Prozent macht 107 Milliarden Euro aus.

FPÖ-Skepsis: "An Taten messen"

Von den deutschen Medienvertretern wurde der Kanzler mehrfach kritisch auf die FPÖ angesprochen. Kurz - er war Mittwochabend in der ARD bei Sandra Maischberger zu Gast unter dem Titel "Wunderknabe oder politischer Scharfmacher?" - bat, die Regierung an ihren Taten zu messen. Dem schloss sich auch Merkel an. Ihr Parteifreund, der CDU-Europapolitiker Elmar Brok, bezeichnete im SWR die Koalition als "gewöhnungsbedürftig". Er nannte das Vorhaben von Schwarz-Blau, wonach deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler den österreichischen Pass erhalten sollen, "antiquiert".

Für Deutschland, das auf eine neue Regierung wartet, stellte Merkel fest, dass die Eckpunkte der Sondierungen zwischen Union und SPD nicht nachverhandelt werden. Derweil machte SPD-Chef Martin Schulz eine Evaluierung eines noch zu beschließenden schwarz-roten Bündnisses nach zwei Jahren Amtszeit zur Bedingung von Koalitionsverhandlungen. Bis in Berlin eine neue Regierung steht, ist Merkel nur kommissarisch Kanzlerin und damit auch ihr Handlungsspielraum für EU-Reformen eingeschränkt.

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