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"Ich rieche den Duft des Sieges"

Von Michael Schmölzer

Politik

Italien droht nach den Wahlen am 4. März das Chaos. Berlusconi gilt bereits als Hoffnungsschimmer.


Wien/Rom. In einem Monat wählen die Italiener ein neues Parlament. Von anhaltender Unregierbarkeit bis zum Euro-Austritt scheint danach alles möglich. Die meisten Experten sehen die einzige Chance in einer Koalition zwischen der Demokratischen Partei (PD) des sozialdemokratischen ehemaligen Regierungschefs Matteo Renzi und Silvio Berlusconis rechtskonservativer Forza Italia.

Berlusconi, der politisch totgeglaubte, rechtskräftig verurteilte mehrfache Ex-Premier, stünde damit einmal mehr im Zentrum der Macht. Weil es keine Alternativen zu geben scheint, wird der 81-Jährige mittlerweile auch in Brüssel hofiert und als Hoffnungsschimmer gehandelt.

Dort sieht man dem Votum am 4. März mit Sorge entgegen. Vor allem, weil EU-feindliche Kräfte - die Lega Nord und die Protestbewegung "Fünf Sterne" - großen Zulauf haben. Zum anderen wird befürchtet, dass eine Regierungsbildung überhaupt nicht möglich sein wird. In dieser Situation wäre eine Zusammenarbeit von Renzis Sozialdemokraten und Berlusconi ein realistischer Weg.

Der renommierte italienische Politologe Roberto D’Alimonte bezeichnet diese Konstellation als "das geringste Übel". Und: Eine Kooperation zwischen Renzi und Berlusconi sei durchaus kein Novum. Diese habe es schon 2013 gegeben, als beide die Regierung von Enrico Letta unterstützt hätten. Eine solche Zusammenarbeit hält auch Polit-Experte Giovanni Orsina für gut möglich.

Wahlsystem hilft Berlusconi

Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Mitte-rechts-Lager um den "Cavaliere" aus sich heraus eine Mehrheit erreicht. Der verurteilte Tycoon ist "Presidente" der Forza Italia und hat ein Bündnis mit der Lega Nord und anderen Rechten gebildet.

Einer am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge liegt dieses Bündnis mit 36 Prozent voran, gefolgt von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, die mit 28 Prozent die stärkste Einzelpartei ist. Dann folgt die Mitte-links-Koalition von Ex-Premier Matteo Renzi, die auf 28 Prozent kommt. Sie hat zuletzt leicht zulegen können.

Ein Bündnis muss mindestens 40 Prozent der Stimmen bekommen, um auch im Parlament in Rom die Mehrheit zu erhalten. Das könnte Berlusconi schaffen. Der Ex-Premier hat jedenfalls Witterung aufgenommen. Er habe, wie er sagt, bereits "den Duft des Sieges" in der Nase.

Dazu kommt, dass bei diesem Votum erstmals ein Wahlsystem zur Anwendung kommt, von dem vor allem Berlusconi und dessen Allianz profitiert. 37 Prozent der Stimmen werden dabei nach dem Mehrheitssystem vergeben, der Rest nach dem Proporzsystem. Ein Unikum in ganz Europa. Dadurch werden Koalitionen gefördert, die aus starken Kräften bestehen - und das ist bei Berlusconi der Fall. Seine Forza Italia liegt laut jüngster Umfrage vom Freitag bei knapp 16 Prozent, die verbündete Lega Nord liegt bei 13 Prozent Zustimmung.

Grillini "unberechenbar"

Wobei die Lega aus Brüsseler Sicht einer der großen Unsicherheitsfaktoren ist. Deren Parteichef Matteo Salvini meinte zuletzt, dass unter dem Faschismus "vieles geleistet" worden sei. Die Lega ist ausländerfeindlich, macht Stimmung gegen die EU und sitzt mit dem Front National und der FPÖ in einer Fraktion im EU-Parlament.

Das zweite große Fragezeichen ist die von dem Starkomiker Beppe Grillo gegründete Protestbewegung Fünf Sterne. Die Partei spielte lange mit dem Gedanken, ein Referendum über die Abschaffung des Euro abhalten zu lassen. Der neue Spitzenkandidat, Luigi Di Maio, gibt sich jetzt demonstrativ europafreundlich. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um über einen Austritt zu sprechen, ein solcher wäre nur das letzte Mittel, so Di Maio. Von Berlusconi als "gefährliche Sekte" etikettiert, verhält man sich staatstragend. Im Londoner Bezirk Knightsbridge meinte Di Maio in einem Privatclub vor Investoren, dass er natürlich bereit wäre, nach dem 4. März mit anderen großen Fraktionen eine Koalition einzugehen. Markenzeichen der "Grillini" ist aber, dass sie sich beharrlichen weigern, ein Bündnis mit anderen einzugehen. Deshalb wird die Anti-Establishment-Partei vor allem von vielen Jungen gewählt. Und deshalb hat Di Maio den Bericht auch umgehend dementiert.

Der 31-jährige Parteichef versuchte in London, Befürchtungen zu zerstreuen, es könnte nach der Wahl zu einer politischen Paralyse Italiens kommen. Der deutsche Italien-Experte Christian Jansen schenkt den Worten Di Maios jedenfalls keinen Glauben. Er hält Fünf Sterne weiterhin für "völlig unberechenbar".

Angesichts dieser Unwägbarkeiten gilt der der herzkranke Berlusconi in Brüssel als Hoffnungsträger. Er versprach zuletzt eine europafreundliche Regierung, sollte seine Allianz gewinnen. Als künftigen italienischen Premier schlägt er den derzeitigen EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tarjani vor.