Berlin/Wien. Er wollte sich unbedingt rehabilitieren. Und beschleunigte damit nur seinen Abgang. Denn der Preis für die Aussicht auf Martin Schulz als kommenden Außenminister wurde für die SPD von Tag zu Tag höher. Umgekehrt fiel kaum ein Politiker so schnell wie der 62-Jährige: Noch vor knapp einem Jahr wurde er mit 100 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt und mit Barack Obama verglichen. Seit Freitag ist Schulz nicht nur Ex-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender der Sozialdemokraten mit Ablaufdatum, sondern auch Doch-nicht-Außenminister Deutschlands.
Dabei hatte Martin Schulz in den Koalitionsverhandlungen Angela Merkel die Stirn geboten und die Kanzlerin in ihrer Paradedisziplin, der Verhandlungsführung, geschlagen. Das für die SPD gewonnene Finanzministerium sollte Garant dafür sein, dass die rund 463.000 Genossen dem Koalitionspakt zwischen Union und Sozialdemokraten zustimmen. Tatsächlich traten die inhaltlichen Debatten in den Hintergrund, wurden die grundlose Befristung von Arbeitsverträgen und die unterschiedlichen Honorarverrechnungen zwischen privat und staatlich Krankenversicherten, was sie stets hätten sein sollten: Randthemen, keine Fragen von Sein oder Nichtsein einer Regierung im wichtigsten Land der EU.
Zwei denkwürdige Sätze
Dennoch kam die SPD nicht zur Ruhe. Martin Schulz Ankündigung, den Parteivorsitz zugunsten von Andrea Nahles zurückzulegen, entschärfte die Lage nicht. Denn er wollte zumindest den Außenministerposten - jenes Amt, in dem auch unbeliebte Politiker plötzlich zum Darling der deutschen Öffentlichkeit aufsteigen. Schulz Vorgänger als Parteichef, Sigmar Gabriel, machte es vor.
Hätte Schulz bloß nicht am 25. September 2017 zwei denkwürdige Sätze gesprochen: "In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten. Ganz klar!", sagte er am Tag nach der Bundestagswahl. Die Sätze gelten nun als eine Wendung zu viel. Erst recht für jemanden, der seine Prinzipientreue bei jeder Gelegenheit herausstreicht. Dass Schulz die SPD erst auf bedingungslosen Oppositionskurs einschwor und dann zum Vorkämpfer der großen Koalition mutierte, stieß schon vielen Genossen auf. Die Kehrtwende konnte noch unter dem Deckmäntelchen der staatspolitischen Räson verkauft werden, weil CDU, CSU, FDP und Grünen ihr "Jamaika"-Experiment abbrachen und die Sozialdemokraten in die Koalitionsbresche springen mussten.
Wie beim Sager um seine Zukunft agierte Schulz auch in Sachen Oppositionskurs taktisch höchst ungeschickt - mit Unterstützung des Parteipräsidiums. Wer sich dieser Tage über einen unfähigen Vorsitzenden im Willy-Brandt-Haus mokiert, darf jene Genossen nicht aus der Verantwortung nehmen.