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Vom Eierwerfer zum Premierminister

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Der Rechtspopulist Matteo Salvini will mit der Lega in Italien Ministerpräsident werden.


Rom. Matteo Salvini steigt aus seiner Limousine und schüttelt als erstes den beiden am Rand stehenden Carabinieri die Hand. Der Chef der rechtspopulistischen Lega wird noch viele Hände ergreifen an diesem Vormittag, bei seinem Wahlkampfauftritt im nordostitalienischen Städtchen Udine. Es sind auffällig viele Hände von Polizisten darunter, die gekommen sind, um die Sicherheit des Politikers zu gewährleisten. Achtung vor der Staatsgewalt sollen diese Gesten signalisieren und Solidarität mit denen, die berufen sind, die Regeln einzuhalten. Matteo Salvini, Spitzenkandidat der Lega, hat das selbst nicht immer getan. 1999 saß er 30 Tage in Haft, weil er ein rohes Ei auf den damaligen Ministerpräsidenten Massimo D’Alema geworfen hatte.

Das ist lange her. Nun schickt sich der Eierwerfer von damals an, selbst italienischer Regierungschef zu werden. So zumindest formulieren er und seine Partei das gemeinsame Ziel für die Parlamentswahlen am 4. März, bei denen die Lega in einem Rechtsbündnis mit Ex-Premier Silvio Berlusconi antritt.

Salvini möchte in Italien das Pendant zu US-Präsident Donald Trump werden. Auch zum russischen Staatsoberhaupt Wladimir Putin oder zu Marine Le Pen, der französischen Chefin des Front National, hat er einen guten Draht, ebenso zur deutschen AfD und allen Gruppierungen, die der "Überfremdung" und dem "herrschenden System" von rechts den Kampf angesagt haben.

"Italiener zuerst", "Stopp Invasion", "Recht auf Selbstverteidigung" - so lauten die Wahlkampfparolen, mit denen die Lega den letzten Umfragen zufolge bei etwa 15 Prozent der Wähler punktet. So viele Bürger sind geneigt, Salvini in gut einer Woche ihre Stimme zu geben.

Als der 44-Jährige auf der Piazza San Giacomo in Udine in Manier eines Volkstribuns eine improvisierte Rede hält, klingt das so: "Ihr habt die Wahl zwischen denjenigen, die 700.000 illegale Einwanderer in wenigen Jahren ins Land gelassen haben, und uns, die mehr Arbeit für alle schaffen und weniger Immigranten reinlassen werden." Salvini, in Daunenjacke und Anzughose, hat den netten Rechtspopulisten von nebenan im Repertoire ebenso wie den aufwiegelnden Eiferer, der verspricht, mit ihm an der Regierungsspitze würden Vergewaltiger kastriert.

"Es ist unsere letzte Chance", beschwört er seine knapp 200 Sympathisanten. Ein paar von ihnen jubeln ihm begeistert zu. Auf seinem Fußweg durch das saubere Udine, auf dem er sich hunderten von Selfies stellt, raucht der Chef der Lega zwischendurch eine Zigarette. Die Kippe wirft er nicht auf den Boden, sondern demonstrativ in einen Aschenbecher. Vom pöbelnden Eierwerfer von einst ist nur noch ein Schatten übrig.

Norditalien ist das Stammgebiet der Lega, die früher Lega Nord hieß und deren Mitglieder von einem von Rom und dem italienischen Süden unabhängigen Fantasiestaat namens Padanien träumten. Salvini, der früher EU-Parlamentarier war und seit 2013 Parteivorsitzender ist, hat die Lega italienweit ausgerichtet und das "Nord" aus dem Parteinamen streichen lassen. Die frühere Regionalpartei strebt nun italienweit nach Macht und befindet sich im Aufschwung.

Vor allem die lange Zeit ungeregelte Immigration hat den italienischen Rechtspopulisten viele Sympathisanten beschert. Auch die soziale Ungleichheit treibt solchen Gruppierungen Wähler zu. Allerdings wird der politische Durchbruch auf nationaler Ebene vor allem durch die politisch weder eindeutig rechts noch links verortete Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo erschwert, die laut Umfragen beinahe doppelt so viele Stimmen erreicht.

Allianz mit rechtsgerichteten Parteien

Salvini bedient den rechten Rand, ohne Berührungsängste. Als im vergangenen Sommer ein Strandanlagen-Besitzer zur Zielscheibe linker Medien wurde, weil er den Diktator Benito Mussolini und den Faschismus verherrlichte, stattete ihm Salvini einen Solidaritäts-Besuch ab. Seine Wählerschaft goutiert solche Gesten. Der Faschismus habe auch positive Seiten gehabt, erklärt der Parteichef. Links der Mitte gilt Salvini als gefährlicher Zündler, rechts hofft man auf seinen Erfolg. Weil die Lega alleine keine Chance auf eine Regierungsbildung hat, schmiedete ihr Chef eine Allianz mit Berlusconis Forza Italia und der rechten Kleinpartei "Brüder Italiens". Bis zu 38 Prozent der Stimmen werden dem Bündnis prognostiziert, mindestens 40 Prozent sind für die Regierungsbildung nötig.

Die Protagonisten sind sich in vielen Einzelfragen alles andere als einig. So streiten Salvini und Berlusconi etwa über die EU-Regelungen zur Neuverschuldung oder die Steuerpolitik. Salvini will Ministerpräsident werden, während Berlusconi ihn nur als Innenminister für geeignet hält. Entscheidend wird sein, wer innerhalb des Bündnisses mehr Stimmen bekommt und ob es überhaupt für eine Parlamentsmehrheit reicht.

Ex-Premier Berlusconi, dessen Forza Italia laut Umfragen mit bis zu 16 Prozent der Stimmen rechnen kann, hat plötzlich eine ganz neue Rolle inne. Er gibt nun den Garanten, der Rechtspopulisten wie Salvini im Zaum zu halten verspricht.