Zum Hauptinhalt springen

Der Premier und die ungekannte Hilflosigkeit

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Politik

In der Slowakei werden die Rufe nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Fico und anderen Kabinettsmitgliedern immer lauter.


Bratislava. Seit der exekutionsartigen Ermordung des slowakischen Investigativreporters Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova vor knapp zwei Wochen rächt sich das notorisch schlechte Verhältnis von Ministerpräsident Robert Fico zu Journalisten. Die Forderungen nach einem Rücktritt des Sozialdemokraten und seines Innenministers Robert Kalinak sind nicht mehr zu überhören. Genährt werden sie vor allem von Medien, deren Mitarbeiter sich in den vergangenen Jahren etwa als "Huren" beschimpfen lassen mussten, wenn sie den Regierungschef in einem vermeintlich schlechten Licht präsentierten und ihn insbesondere mit zweifelhaften Finanzpraktiken in Verbindung brachten.

Im vergangenen Jahrzehnt machte Fico unliebsame Kritiker vor allem durch Klagen auf Schmerzengelder in horrender Höhe mundtot, die er durch eine umstrittene, wenngleich inzwischen zurückgenommene Novelle des Pressegesetzes ermöglicht hatte. In diesen Tagen wirkt der 53-Jährige erstmals nach knapp zwanzig Jahren an der Spitze der von ihm gegründeten Partei Smer-SD hilflos angesichts der Wut, die ihm von allen Seiten entgegenschlägt. Ein Auftritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, um den er förmlich gebettelt hatte und worin er die Forderung von Staatspräsident Andrej Kiska nach Neuwahlen oder zumindest einer Neuordnung der Regierung brüsk ablehnte, löste einen massiven Shitstorm auf allen medialen Kanälen aus, die Fico sonst erfolgreich zur Selbstdarstellung nutzt.

Koalitionspartner Most-Hid als Zünglein an der Waage

Ficos größtes Problem: Der Regierungschef, der sonst in der Öffentlichkeit selbst um Kraftausdrücke nie verlegen ist, zieht sich auf nüchterne juristische Argumente zurück, wo nicht nur die zehntausenden von Bürgern, die am Freitag zu Gedenkmärschen für Kuciak und dessen Verlobte zusammenkamen, ausdrücklich Empathie erwarten würden. Vor diesem Hintergrund findet der studierte Rechtsanwalt kaum noch Fürsprecher, die sich öffentlich zu ihm bekennen würden.

Vergleichsweise milde urteilte am Wochenende allein die als Fico-nah geltende Tageszeitung "Pravda", die dem Regierungschef ausdrücklich empfahl, einmal in Ruhe über das nachzudenken, was ihm Bela Bugar, Vorsitzender des bürgerlich-liberalen Koalitionspartners Most-Hid, "ohne jede Hysterie" mitgeteilt habe. Dieser will am 12. März Bescheid sagen, ob seine Partei zur Fortführung der Regierungskoalition mit der Smer-SD und der nationalistischen SNS bereit ist.

Bugar selbst hält sich mit Rücktrittsforderungen gegenüber Fico bedeckt. Seine Parteifreundin, die stellvertretende Ministerpräsidentin und Justizministerin Lucia Zitnanska, hingegen fordert offen den Rückzug zumindest von Innenminister Kalinak.

Most-Hid galt in den vergangenen Monaten immer wieder als konstruktives Zünglein an der Waage, wenn es darum ging, das Regierungsbündnis trotz heftiger Auseinandersetzungen zwischen Smer-SD und der gleichfalls immer wieder ins Zwielicht geratenen SNS zusammenzuhalten. In den parteiinternen Gesprächen der kommenden Tage dürfte es nicht zuletzt mit Blick auf mögliche Neuwahlen vor allem darum gehen, Wege zu erörtern, wie die Partei ihren Ruf als einzige integere Partei des Regierungsbündnisses festigen kann. Diese Debatte kann sich vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über die Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft durchaus als zweischneidiges Schwert erweisen, musste etwa Parteichef Bugar in der Vergangenheit häufiger zur vermeintlich zweifelhaften Herkunft eines Teils seines Vermögens Stellung nehmen.

Prekäre Arbeitsbedingungen für Journalisten

Die Wut der Slowaken entlädt sich in diesen Tagen vor allem in Richtung von "denen da oben". Zu deutlich scheinen die Zusammenhänge zwischen dem Mord an Kuciak sowie Kusnirova und mafiösen Strukturen, die sich fatal auf das politische Geschehen in der Slowakei auswirken. Einer der wenigen Besonnenen in diesen Tagen ist der Publizist Peter Toth, der mehrfach vor voreiligen Schlussfolgerungen gewarnt hat und zugleich eine fundierte Debatte über den Zustand der slowakischen Gesellschaft anmahnt.

Eine Frage, die in diesen Tagen kaum erörtert wird, ist etwa die nach den allgemeinen Arbeitsbedingungen von Medienvertretern in der Slowakei. Schon lange wird bemängelt, dass zahlreiche Journalistik-Absolventen in Redaktionen regelrecht verheizt würden. Jan Kuciak, der etwa die Verbindung von Slowaken zu den Panama Papers aufgedeckt hatte, hätte bei seinen jüngsten Recherchen in Mafia-Kreisen nicht allein gelassen werden dürfen, heißt es nun. Teilweise wird auch beanstandet, dass Fico und Kalinak mit Rücktrittsforderungen konfrontiert und damit auch vorverurteilt würden, wo bisher weder eine direkte noch eine direkte Verantwortung beider Politiker für die Ermordung Kuciaks nachgewiesen sei.