Zum Hauptinhalt springen

Aufbruch mit Hindernissen

Von Anja Stegmaier

Politik
Werden Macron und Merkel sich einigen können?
© Oikonomou

Macron und Merkel treffen einander am Freitag zu einer Arbeitssitzung in Paris. Es soll um die Reform der Eurozone gehen.


Paris/Wien. Gerhard Schröder tat es, Helmut Kohl und Helmut Schmidt taten es auch - sie reisten in ihrer Funktion als Kanzler Deutschlands als Erstes nach Frankreich. Die deutsch-französische Freundschaft wird großgeschrieben in beiden europäischen Kernstaaten. Auch Angela Merkels erste Auslandsbesuche führten sie bis auf eine Ausnahme - 2009 reiste sie in die USA - stets nach Paris. So auch dieses Mal, kurz nach Beginn ihrer vierten Amtszeit.

Am Freitagnachmittag erwartete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Kanzlerin in der französischen Hauptstadt. Tatsächlich handelte es sich bei dem Besuch aber um eine Arbeitssitzung, denn der deutsch-französische Motor war durch die lange Zeit der Regierungsbildung in Berlin lahmgelegt. Macron wartet ungeduldig darauf, die weitere Entwicklung der Eurozone mit seiner deutschen Kollegin zu gestalten.

Doch der "Aufbruch in Europa", den sich auch Merkel auf die Fahnen geschrieben hat, ist überschattet. Macrons ehrgeizige Pläne für die EU werden von Deutschland gebremst. Weil sich die Länder bei der Reform der Währungsunion und in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bisher nicht einig werden konnten, wurde letzte Woche auch die avisierte Präsentation des gemeinsamen Reformplanes beim EU-Gipfel kommenden Donnerstag in Brüssel abgesagt.

Streit um Einfluss und Macht

Macrons große Pläne eines Euro-Finanzministers mit einem Eurozonen-Haushalt, statt nur eines EU-Budgets, wurden durch Intervention aus Berlin von der EU-Agenda gestrichen. Auch bei der seit 2012 geplanten gemeinsamen Einlagensicherung und bei der Bankenunion machte der geschäftsführende deutsche Finanzminister Peter Altmaier im Jänner klar, dass es hier keine Kompromissbereitschaft gebe.

Der neue Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire teilten am Freitag nach ihrem Zusammentreffen in Paris mit, dass Deutschland und Frankreich sich bis Juni auf einen gemeinsamen Fahrplan bei der Reform der Eurozone einigen wollen. Und das wird auch Zeit.

Präsident Macron muss seinen Wählern langsam zeigen, dass sich sein dezidiert proeuropäischer Kurs für Frankreich lohnt. Neben Ergebnissen in der Wirtschafts- und Währungsunion hat er dabei auch EU-Personalia im Auge.

Nach den Europawahlen im Mai 2019 gilt es, die neue Führungsriege in Brüssel zu besetzen. Die Posten des Kommissionschefs, des Ratspräsidenten und später auch des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) werden vakant. Macron will hier den französischen Einfluss ausbauen.

Deswegen setzt sich der Präsident für europaweite Wahllisten ein. Damit könnten etwa Bürger in Berlin und Rom Politiker aus Paris nach Brüssel schicken - ein Affront gegen die europäischen Alt-Parteien. Denn Merkel und ihre Europäische Volkspartei (EVP), die von CDU und CSU dominiert wird, wollen natürlich auch 2019 den Präsidenten der EU-Kommission stellen - angesichts des Niedergangs der Sozialdemokraten in Europa eine bereits ausgemachte Sache. Der Vorstoß wurde deshalb verhindert.

Statt des lang ersehnten, gemeinsamen Aufbruchs des bewährten Motors also drohen die Streitpunkte zwischen Merkel und Macron, die Reformpläne zu verzögern. Dem entgegen könnte die Achse Paris-Berlin-Warschau, das 1991 gegründete Weimarer Dreieck, wiederbelebt werden. Die zweite Auslandsreise der Kanzlerin führt am Montag nämlich nach Polen. In Warschau trifft sie Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, um mit ihm Fragen der bilateralen Beziehungen sowie europa- und außenpolitische Themen zu besprechen.