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Der Visionär vor der Barrikade

Von Ronald Schönhuber

Politik

Mit seinen Reformideen zur Euro-Zone stößt der französische Präsident Macron auf massiven Widerstand.


Straßburg. Am Ende ist Jean-Claude Juncker offensichtlich angetan. "Das wahre Frankreich ist zurück", sagt der EU-Kommisisonspräsident, als er am Dienstag nach Emmanuel Macron das Wort im EU-Parlament ergreift. Tatsächlich hat der junge Präsident in den 25 Minuten davor eine europapolitische Grundsatzrede gehalten, die ein deutlich anderes Frankreich durchschimmern ließ als das der vergangenen Jahren, in denen es häufig weniger darum ging, Europa gemeinsam zu stärken, als den französischen Einfluss innerhalb der EU abzusichern.

In den Fokus seiner Rede stellte Macron vor allem die liberale Demokratie, die für ihn den Grundpfeiler der erhofften Wiedergeburt Europas darstellt. "Die europäische Demokratie ist unsere Trumpfkarte", sagte der Präsident im gut gefüllten Straßburger Plenarsaal. Gleichzeitig machte er aber auch deutlich, dass er die Demokratie für gefährdet hält. "Der selbstsüchtige Nationalismus gewinnt an Boden", erklärte der Franzose mit einer klaren Anspielung auf die Wiederwahl des rechtskonservativen Premiers Viktor Orban in Ungarn und die in Polen regierende nationalkonservative Partei PiS. Es sei allerdings eine Illusion zu glauben, dass die Aufgabe gemeinsamer EU-Befugnisse zugunsten nationalstaatlicher Souveränität jene Sicherheit bringen würde, die die Wähler in einer von autoritären Mächten geprägten Welt wollen.

"Die Antwort darauf, ist nicht eine autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie", befand Macron, der seine EU-Amtskollegen in diesem Zusammenhang auch zum Beginn eines breit angelegten öffentlichen Dialogs über die Zukunft Europas aufruft. Wenn die EU bestehen wolle, müsse sie sich in vielen Bereichen eine "eigene Souveränität" schaffen. Denn Migrationsbewegungen oder der Klimawandel ließen sich nur dann bewältigen, wenn die Gemeinschaft über mehr eigene Handlungsfähigkeit verfügt.

Vom Wohlwollen zur Ablehnung

Anders als bei seiner viel beachteten Rede an der Pariser Universität Sorbonne vor acht Monaten, arbeitete Macron seine konkreten Reformvorschläge diesmal aber nur relativ kursorisch ab. So warb der Präsident mit jeweils nur wenigen Sätzen für eine schärfere Besteuerung von Internet-Konzernen, den Ausbau der gemeinsamen Verteidigung oder eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von Kommunen, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Auch die Reform der Eurozone, die ihm besonders am Herzen liegt, erwähnte er aus taktischen Gründen diesmal nur kurz.

Denn die ehrgeizigen Pläne, die in Deutschland zunächst mit demonstrativem, aber unverbindlichem Wohlwollen aufgenommen wurden, sind mittlerweile zu einem nicht unbedeutenden Streitpunkt zwischen den beiden wichtigsten EU-Ländern geworden. So steht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die Macron am Donnerstag in Berlin empfängt, vor allem bei einem eigenen Haushalt für den Euroraum massiv auf der Bremse.

Widerstände gibt es in Berlin zudem gegen die Idee eines eigenen europäischen Währungsfonds als Krisenfeuerwehr für finanziell ins Trudeln geratene Staaten und die nicht nur in Deutschland umstrittene Einlagensicherung zur Vervollständigung der Bankenunion. Und nur noch sehr wenig Spielraum dürfte es auch bei der von Macron erhobenen Forderung nach einem europäischen Finanzminister geben. "Wir lehnen diesen EU-Finanzminister ab", sagte etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nach der Rede Macrons. Denn eine solche Position wäre der Einstieg in eine europäische Steuerkompetenz.

SPD pocht auf Koalitionsvertrag

Schützenhilfe kann sich Macron allerdings von der SPD erwarten, die einer stärkeren Haftungs- und Risikoteilung zwischen den Staaten deutlich weniger skeptisch gegenüber steht als die Unionsparteien. So äußerte am Dienstag vor allem Andreas Nahles, die am Wochenende zur neuen SPD-Chefin gewählt werden soll, Kritik an der immer stärker werdenden Blockade-Haltung von CDU und CSU. Die Ziele etwa für den europäischen Währungsfonds seien im Koalitionsvertrag sehr klar benannt worden, betonte die designierte SPD-Vorsitzende unmittelbar vor Beginn einer Fraktionssitzung. "Ich bestehe daher auch darauf, dass diese eingehalten werden." Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich wohl spätestens im Juni zeigen. Denn dann wollen Deutschland und Frankreich beim EU-Gipfel in Brüssel schon erste Reformvorschläge vorlegen.