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Querelen um ein Schlüsselressort

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Politik

In der Slowakei verzögert sich die Aufklärung des Journalistenmordes wegen Schwierigkeiten an der Spitze des Innenministeriums.


Bratislava. Ein gelungener Start sieht anders aus. Das dürfte sich Peter Pellegrini mehr als einmal gedacht haben, seit er vor vier Wochen das Amt des slowakischen Ministerpräsidenten angetreten ist. Der 42-jährige Sozialdemokrat sollte nach dem Rücktritt des langjährigen Regierungschefs Robert Fico die gesellschaftlichen Spannungen entschärfen, die seit der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter Martina Kusnirova Ende Februar zutage getreten sind. Tatsächlich tritt er nicht aus dem Schatten seines zuletzt nur mehr angefeindeten Vorgängers.

Fico hatte die Notbremse gezogen, nachdem er durch Recherchen Kuciaks in die Nähe des in der Ostslowakei operierenden Mafia-Ablegers ’Ndrangheta gerückt worden war und daraufhin wochenlang so viele Slowaken zu Massenprotesten auf die Straße gezogen waren wie zuletzt 1989. In dieser Situation bot sich Pellegrini an. Ficos langjähriger Kronprinz und Innenminister Robert Kalinak war kurz zuvor schon zurückgetreten, und Pellegrini wiederum galt als Premier-Vertrauter mit relativ weißer Weste.

Seit seiner Vereidigung ringt er jedoch um eine Erklärung zum Erwerb einer Luxuswohnung, die er sich nach seinen öffentlich deklarierten Einkünften nicht leisten kann. Weit schwerer wiegt, dass er keine Ruhe ins Innenministerium bringt. Nach dem Abgang Kalinaks war dessen bisherige Staatssekretärin Denisa Sakova im Gespräch. Ihre Ernennung scheiterte an der langjährigen Zusammenarbeit mit Kalinak. Dann lehnte Staatspräsident Andrej Kiska den parteilosen Jozef Raz wegen freundschaftlicher Kontakte zu Kalinak ab. Schließlich übernahm der bisherige Gesundheitsminister Tomas Drucker das Ressort. Anfang der Woche trat er aber schon zurück.

Drucker hatte sich geweigert, den umstrittenen Polizeichef Tibor Gaspar zu entlassen, der wegen mutmaßlicher Verschleppung der Ermittlungen im Mordfall Kuciak/Kusnirova in der Kritik steht, und das, obwohl Gaspar sogar schon einmal angekündigt hatte, er werde bald "aus persönlichen Gründen" gehen. Tatsächlich dürften Medienberichte um fragwürdige Geschäfte seiner Frau den Ausschlag für Druckers Rücktritt gegeben haben. Nunmehr leitet Pellegrini selbst kommissarisch das Innenministerium. Geht es nach ihm, scheidet Gaspar bis 31. Mai aus seiner Funktion aus und soll nun doch Denisa Sakova Ressortchefin werden. Wegen des anhaltenden Hin und Her verzögern sich die Ermittlungen der dem Innenminister unterstehenden Polizeibeamten im Fall Kuciak/Kusnirova. Kläglich sind auch die bisher bekannt gewordenen Fortschritte der Justiz. Erst am Mittwoch unterzeichnete Generalstaatsanwalt Jaromir Ciznar in Den Haag eine Vereinbarung zur Einsetzung eines internationalen Ermittlerteams, wie es schon seit dem Auffinden der Leichen Kuciaks und Kusnirovas gefordert wird. Zwischenzeitlich wurden auch die Ermittlungen gegen einen Unternehmer eingestellt, den Kuciak kurz vor seinem Tod angezeigt hatte, weil dieser ihn und seine Familie wegen eines Artikels über seine Geschäftspraktiken bedroht habe.

Vor diesem Hintergrund gehen die Proteste gegen Politiker und Strafermittler weiter. Vergangenen Sonntag versammelten sich wieder rund 30.000 Menschen, in den Wochen zuvor waren es teilweise mehr als 100.000. Viele Demonstranten denken wie Alena Kissova. "Es wird sich nichts ändern, aber wir müssen der Regierung signalisieren, dass eine Grenze überschritten ist", sagt die 36-Jährige mit Nachdruck.

Aufwind verspürt da nur einer: Robert Fico. Laut Umfragen bleibt er der vertrauenswürdigste Politiker hinter Staatsoberhaupt Kiska. Die seit zwei Jahrzehnten von ihm geführte Smer-SD, die größte der drei Regierungsparteien, hat trotz der Proteste wenig an Beliebtheit eingebüßt und wird noch von gut einem Fünftel statt wie bisher einem knappen Viertel der Wähler unterstützt.

Auch sonst läuft es nach Ficos Plan: Neuwahlen scheinen vom Tisch, Ficos Verstrickungen über den Affären Pellegrinis und Druckers fast vergessen, und der einst so dynamische Nachwuchs agiert nur mehr fahrig. Deshalb warnen einige Beobachter ausdrücklich davor, den 53-Jährigen auf Dauer abzuschreiben.