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Vager Plan A

Von Martyna Czarnowska aus Sofia

Politik

EU-Politiker sehen für Südosteuropa keine Alternative zum EU-Beitritt, halten sich aber mit Versprechen zurück.


Sofia. Streng geografisch betrachtet, gehört Witoscha gar nicht zum Balkangebirge. Dieses erstreckt sich weiter nördlich der Hügel, die das Stadtbild Sofias prägen. Dennoch war es ein passender Ort für ein Treffen, bei dem das Thema Westbalkan auf der Agenda stand: Im Kulturpalast im Zentrum Sofias, mit Blick auf Witoscha, kamen die Staats- und Regierungschefs der EU mit ihren Amtskollegen aus sechs südosteuropäischen Ländern (Serbien, Mazedonien, Montenegro, Albanien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo) zusammen. Für die Bulgaren war die Veranstaltung einer der Höhepunkte ihres EU-Vorsitzes - und zwar nicht nur wegen ihres feierlichen Charakters. Schließlich ist das junge EU-Mitglied von den Entwicklungen in seiner Nachbarschaft unmittelbarer betroffen als die meisten westeuropäischen Länder.

An Stabilität in der Region ist Bulgarien daher äußerst interessiert - und die EU-Perspektive soll dazu beitragen. Darüber hinaus gehende Zusagen gab es freilich nicht. In der Schlusserklärung des Gipfeltreffens, das von Debatten über die Aufkündigung des Iran-Atomabkommens durch die USA und den transatlantischen Handelsstreit überschattet war, sind weder ein Bekenntnis zur EU-Erweiterung noch Termine für mögliche Beitritte zu finden. Bekräftigt wird lediglich etwas, was schon vor 15 Jahren, bei der vorangegangenen Gipfeltagung in der Nähe von Thessaloniki, festgestellt wurde: Die europäische Perspektive des Westbalkan werde "uneingeschränkt unterstützt".

Dass dabei nicht von Staaten in der Region die Rede ist, sondern von Nachbarn, ist aber kein Zeichen besonderen Engagements. Vielmehr hat es im Vorfeld der Zusammenkunft einen Zank um den Status des Kosovo gegeben. Denn nicht nur Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz nicht an. Fünf EU-Hauptstädte teilen diese Haltung: Madrid, Athen, Bukarest, Nikosia und Bratislava. Für Spanien, das sich mit separatistischen Tendenzen in Katalonien müht, kommt eine Anerkennung derzeit überhaupt nicht in Frage.

Dass dies so manches skeptische Land stillschweigend gutheißt, weil es sich so nicht offen gegen eine Vergrößerung der EU aussprechen muss, scheint naheliegend. Denn vor allem in Westeuropa ist Interesse an einer Erweiterung der Union so gut wie nicht vorhanden. Einer, der das zu verstehen gibt, ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Gemeinschaft solle sich zunächst mit ihren eigenen Reformen befassen. Erst danach könne über die Aufnahme neuer Mitglieder beraten werden, erklärte Macron einmal mehr in Sofia.

Andere Politiker hingegen würden sich mehr Schwung für den Erweiterungsprozess in Südosteuropa wünschen. Eine neue, positive Dynamik forderte etwa der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Gemeinschaft müsse in Südosteuropa präsent sein - andernfalls seien es andere Mitspieler. Kurz meint damit vor allem den Einfluss der Türkei, der zu einer "Radikalisierung" in einigen Bereichen führen könnte.

Eine Alternative zur europäischen Perspektive sieht auch EU-Ratspräsident Donald Tusk nicht. Es gebe keinen Plan B für den Westbalkan, stellte er fest. So sei auch der beim Gipfeltreffen beschlossene Fahrplan zur Energie- und Verkehrsanbindung Südosteuropas kein Ersatz für eine EU-Erweiterung. Aber zumindest kann er die Länder untereinander zusammenrücken lassen.