Wien. Nach dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hat auch der Norwegische Flüchtlingsrat (Norwegian Refugee Council, NRC) die Bedenken der Bundesregierung angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen als "nicht gerechtfertigt" bezeichnet. Die Grenzen zu schließen sei "keine gute Alternative", sagte Pal Nesse, Chefberater beim NRC, zur APA.
"Europa hat eine extrem niedrige Zahl an Flüchtlingen aufgenommen"
"Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass die europäischen Staaten eine extrem niedrige Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen haben im Vergleich zu anderen Ländern und dass der Grund, warum Menschen flüchten, weiterhin besteht", betonte Nesse. Europa könne nicht erwarten, dass der Libanon oder Jordanien die gesamte Last alleine tragen; Europa habe weitaus bessere Mittel und Kapazitäten dies zu tun. Weiterhin befindet sich ein Großteil der aus Syrien Geflüchteten in den überlasteten Nachbarländern - Jordanien, der Libanon, die Türkei und der Irak haben laut UNO bisher rund 5,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.
Ein Szenario wie während der "Flüchtlingskrise" 2015/2016 sieht Nesse nicht voraus. Es gebe einen leichten Anstieg in Griechenland, die Zahlen würden aber weiterhin auf "sehr moderatem" Niveau liegen, so der Experte der Hilfsorganisation. Ähnlich äußerte sich zuletzt der Leiter des Österreich-Büros des UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR), der meinte, es gebe momentan "überhaupt keinen Grund, besonders alarmiert zu sein". Wie es in Griechenland weitergehe, liege vor allem in der Hand der türkischen Regierung, sagte Nesse mit Blick auf das 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei. Bisher gebe es aber keine Anzeichen für einen ähnlich hohen Anstieg der Ankunftszahlen wie 2015. Europa sollte die "relativ ruhige Zeit" nutzen, um Pläne zu schmieden, Lösungen zu finden und die Situation zu verbessern, forderte er.