Berlin/Wien. Auch nach zwölfeinhalb Jahren im Amt erlebt Angela Merkel Neues im Deutschen Bundestag. Am Mittwoch war es eine Fragestunde. Schwer vorstellbar, doch die CDU-Politikerin musste sich dieser Form der Auseinandersetzung mit den Abgeordneten bisher noch nicht stellen. Zwar zählt die "Befragung der Bundesregierung" zum wöchentlichen parlamentarischen Inventar, doch wurde in der Vergangenheit stets die zweite Garnitur geschickt.
Eine bessere Premiere hätte sich die Opposition nicht wünschen können. Schließlich geriet die Kanzlerin in den vergangenen Tagen direkt in den Strudel der Affäre um das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). In der Bremer Außenstelle sollen rund 1200 Asylanträge unrechtmäßig bewilligt worden sein. Der damalige Behördenleiter Frank-Jürgen Weise soll Merkel mehrfach persönlich über die Zustände im Bamf informiert haben.
Um die Behörde - sie ist dem Innenministerium unterstellt, das bis März 2018 von Merkels CDU geführt war - ging es jedoch erstaunlich wenig. Zwar bezichtigte der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio gleich zu Beginn der offenen Fragerunde, Merkel hätte die Bamf-Mitarbeiter zum Amtsmissbrauch genötigt. "Wann treten Sie zurück", fragte er die Kanzlerin.
Merkel sprach von einer "humanitären Ausnahmesituation" 2015. Den AfD-Vorwurf der Unrechtmäßigkeit konterte sie mit einem Spruch des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2017. Zu Merkels Argumentationslinie zählt, nach der Verteidigung der Grenzöffnung stets die darauf erfolgte Verschärfung in der Flüchtlingspolitik nachzuschieben. Am Mittwoch dankte sie auch den Mitarbeitern des gescholtenen Bamf für deren Leistung in "außergewöhnlich schwieriger Situation". Die Kanzlerin drehte die kursierenden Vorwürfe kurzerhand um: Frank-Jürgen Weise, damals Chef der Bundesagentur für Arbeit, habe auf Bitte der Bundesregierung zusätzlich die Agenden im Bamf übernommen, eben weil es dort gravierende Probleme gegeben habe. "Ich habe ihn ermuntert, alle Missstände mitzuteilen. Es wurde viel geschafft. Viel bleibt zu tun", sagte Merkel. Von den Zuständen in Bremen habe sie erst kürzlich erfahren.
Nun stand sie als Macherin da, die anpackt. Währenddessen war die Opposition aus AfD, Linke, FDP und Grüne vor allem damit beschäftigt, ihre eigenen Kernanliegen unterzubringen, anstatt als die Kanzlerin unter Druck zu setzen. So sprach die Linkspartei über Mietpreise, Leiharbeit und Armutsgefahr. Die Grünen warben für eine Plastiksteuer und um eine Frauenquote im Bundestag.