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"Es gibt keine Nation Mazedonien!"

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Eine Lösung im Namensstreit scheint nahe. Doch der Teufel steckt im Detail.


Chalkida. Maria Pappas steht an diesem schwülwarmen Mittwochabend vor dem Wahrzeichen "Rotes Haus" ganz am Ende der malerischen Uferpromenade in dem 60.000-Einwohner-Städtchen Chalkida, der Hauptstadt der Halbinsel Euböa. Im Stakkato sagt sie, worum es ihr geht. "Wir geben nicht den Namen Makedonien her. Auch nicht für einen Kombi-Namen. Es gibt nur ein einziges Makedonien. Und das ist griechisch."

Was Maria Pappas mit "es gibt nur ein einziges Makedonien" meint: die gleichnamige nördliche griechische Provinz mit seiner Hauptstadt Thessaloniki, eben nicht Hellas’ nördlichen Nachbarn mit seiner Hauptstadt Skopje. Dabei stammt Maria Pappas aus der Stadt Argos auf dem Peloponnes. Auch der Demo-Ort, die Halbinsel Euböa mit ihrer Kapitale Chalkida, hat zumindest geografisch mit Makedonien nichts zu tun.

Blickt man jedoch auf das ewige Hin und Her im schon seit 27 Jahren schwelenden Namensstreit zwischen Athen und Skopje hat Chalkida doch eine beinahe unheimliche Symbolkraft inne. Das Städtchen erstreckt sich zu beiden Seiten der schmalsten Meeresenge der Welt, dem Euripos. Eine Besonderheit dieser Meeresenge ist, dass das Meer an dieser Stelle alle sechs Stunden seine Strömungsrichtung ändert. Ferner gibt es in der Bucht von Chalkida Gezeiten mit Ebbe und Flut.

Im Dauerdisput um den ominösen Namen für den Balkanstaat herrscht derzeit Flut. Beide Seiten wollen den Kompromiss. Ziel ist es, Hellas’ Nachbarn in die Nato aufzunehmen und ihm die Perspektive eines EU-Beitritts zu eröffnen. Beides scheiterte bisher an der Namensfindung.

Noch nie schien eine Lösung so nahe zu sein. Nur: Je näher eine Lösung rückt, desto mehr schwellen die Proteste an - und zwar auf beiden Seiten. Zehntausende Griechen haben am Mittwoch wegen des Namensstreits demonstriert. Der Schwerpunkt der Proteste lag im Norden Griechenlands.

Politische Stolpersteine

Wie der griechische Außenminister Nikos Kotzias nun enthüllte, akzeptiert Athen drei Kombi-Namen: "Severna Makedonija" ("Ober-Mazedonien"), "Gorna Makedonija" ("Nord-Mazedonien") sowie "Nova Makedonija" ("Neu-Mazedonien"). Ein 20-seitiges Kompromisspapier liege vor, es sei nun Aufgabe der Regierungschefs, den Kompromiss in trockene Tücher zu bringen, sagt Kotzias. Der Knackpunkt bleibt Athens Bedingung, wonach der neue Staatsname nicht nur bilateral und in internationalen Institutionen, sondern auch im Innern gelten soll. Doch dafür müsste Skopje seine Verfassung ändern.

Dafür sucht die seit gut einem Jahr im Amt befindliche Regierung die Zustimmung der nationalkonservativen Oppositionspartei VMRO.

Bis dato vergeblich. Der neue VMRO-Chef Hristijan Mickoski, der den derweil wegen Korruptionsskandalen völlig diskreditierten Ex-Premier Nikola Gruevski ablöste, hob am Samstag bei einer Kundgebung vor tausenden jubelnden Anhängern in Skopje hervor: "Die Verfassung bleibt so, wie sie ist. Unser Staatsname lautet ‚Republik Mazedonien‘."

Mazedoniens Premier Zoran Zaev hat angekündigt, ein Referendum in der Namensfrage abhalten zu lassen. Davon will Griechenlands Premier Alexis Tsipras nichts wissen. Er wartet auf einen Anruf von Zaev, damit sich beide Regierungschefs in der Grenzregion Prespes bald feierlich die Hände geben. Tsipras will das Lösungspaket mit einer einfachen Mehrheit durch Athens Parlament bringen. Pikanterweise lehnt sein Juniorpartner, die rechte Anel-Partei, jegliche Verwendung des Namens Makedonien für den nördlichen Nachbarn ab.