Zum Hauptinhalt springen

Rettungsschiff-Streit heizt Debatte um Flüchtlingspolitik an

Von Anja Stegmaier

Politik
Die "Aquarius" der SOS Mediterranée und Ärzte ohne Grenzen.
© reu

Die "Aquarius" ist seit Dienstag auf dem Weg nach Spanien. Das Abblocken Italiens und Maltas fordert EU-Partner heraus.


Rom/Brüssel. Die "Aquarius" ist nach tagelangem Verharren auf dem Mittelmeer seit Dienstag auf dem Weg nach Spanien. Zwei Schiffe der italienischen Küstenwache begleiten das Rettungsschiff vier Tage lang in den Hafen von Valencia. An Bord befinden sich auch italienische Ärzte und Personal des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Vier Schwangere wurden zuvor nach Lampedusa gebracht.

Der Konflikt um die "Aquarius" heizt die Debatte über die Migrationspolitik in der EU an. Denn Italien und Malta weigerten sich bis zuletzt, das Schiff mit 629 aus Seenot geretteten Menschen anlegen zu lassen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini pochte dabei auf das Seerecht: Das Schiff liege näher bei Malta, deswegen sei Italien nicht zuständig. Dem Chef der rechten Lega geht es aber weniger um die rasche Versorgung von Hilfsbedürftigen. Er fährt den harten Abschottungskurs gegen Migranten und Asylsuchende, den er seinen Wählern versprochen hatte. Auf EU-Ebene setzt er zudem ein Zeichen - Italien hat in den vergangenen Jahren hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen. Jetzt seien die anderen dran. Und diese Forderung erhält Zustimmung - nicht nur aus dem rechten Lager. Dass Italien, wie auch Griechenland, lange Zeit mit der Rettung und Aufnahme von Flüchtlingen alleinegelassen wurde, führte bei den vergangenen Parlamentswahlen zu einem eklatanten Rechtsruck - mit einem Lega-Innenminister Salvini, dem der stärkere Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, relativ freie Hand lässt.

Dass Italiens Grenze eine EU-Außengrenze darstellt und hierfür alle Partnerländer Verantwortung übernehmen müssen, ist nicht nur Salvinis Position. Aus allen politischen Lagern Italiens ist diese Forderung zu hören und stößt in vielen Partnerländern auf Verständnis - aber eben nicht in allen.

Die Angebote Spaniens und Korsikas, das Schiff anlegen zu lassen, verkauft Salvini als seinen Sieg. Auch die Reaktionen aus Brüssel - so sie Italien wegen der verweigerten Hilfe auch mahnen - verkauft die Lega als Erfolg.

Die Reaktionen aus EU-Kommission und EU-Parlament waren am Dienstag gemischt. Eine "Schande" und ein "Skandal" nannten Abgeordnete das Verhalten Roms. Italien und Griechenland seien mit dem Flüchtlingsproblem zu lange alleinegelassen worden, beklagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. Kein Staat sei unschuldig an der Lage. "Solange sich die Mitgliedsländer nicht eingestehen, dass sie ein kollektives Problem haben, werden wir scheitern." Der nächste Gipfel müsse eine Lösung für eine gemeinsame Asylpolitik finden, mahnte die portugiesische Sozialdemokratin Maria Rodrigues. "Es darf keine Ausreden, keine Verzögerungen mehr geben", sagte auch die schwedische Liberale Cecilia Wikström.

Die EU-Rechtspopulisten begrüßten den Kurs Roms. Italien baue mit Ungarn und Österreich eine neue Macht in Europa auf, so Marcel de Graaff, Co-Vorsitzender der Rechtsaußen-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF). Salvini telefonierte am Dienstag auch mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer. Beide Länder wollen der EU einen gemeinsamen Vorschlag zum Schutz der EU-Außengrenzen vorlegen. Langsam dämmert es also: Das Dublin-Abkommen ist gescheitert, es braucht eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik. Wie das Grundrecht auf Asyl mit dem Fokus auf Außengrenzenschutz gewährleistet werden soll, bleibt allerdings offen.