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Bayerische Selbstzerstörung

Von Alexander Dworzak

Politik

Die CSU bleibt im Asylstreit bei ihren Maximalforderungen gegenüber Merkel, hat aber viel mehr zu verlieren.


Berlin/Wien. Innerhalb von nur einer Woche ist den Schwesterparteien CDU und CSU der Streit um die Asylpolitik völlig entglitten. Der Riss geht mittlerweile so tief, dass Gerüchte über ein Ende der Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag die Runde machen. Die "Augsburger Allgemeine" zitierte diesbezüglich einen "führenden", jedoch nicht genannten CSU-Abgeordneten.

Keinen Millimeter weg von ihrer Forderung bewegen sich die Christsozialen. Demnach sollen Asylwerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert worden sind, an der deutschen Grenze abgewiesen werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will in den kommenden beiden Wochen bis zum EU-Gipfel bilaterale Vereinbarungen "mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern" - also Italien, Griechenland und Spanien - treffen.

Merkel hat dafür die Rückendeckung der CDU-Abgeordneten. Diese befürworteten noch Anfang der Woche die Linie von CSU-Innenminister Horst Seehofer. Doch wie die CSU nun auftritt, stößt der Schwesterpartei sauer auf. "Wir haben kein Vertrauen, und wir haben auch keine Überzeugung, dass in zwei Wochen etwas zu erreichen ist, was in drei Jahren nicht möglich war", wies Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Bitte Merkels nach Verhandlungszeit brüsk zurück.

Rausschmiss mit Ansage

Der CSU geht es nicht um Lösungen. Sie sucht die Generalabrechnung mit Merkel. Vor der Bundestagswahl 2017 wurde ihre Forderung nach einer Flüchtlingsobergrenze abgelehnt. Aus den hohen Verlusten Richtung AfD schloss die CSU, sie müsse nach rechts rücken. Sonst ist die absolute Mandatsmehrheit bei der Landtagswahl im Oktober dahin.

In ihrem Dauerwahlkampf nimmt die CSU keinerlei Rücksicht auf die Koalition in Berlin, der sie selbst angehört. Der jetzige Streitpunkt in der Asylfrage ist nur ein einziges der 63 Themen im "Masterplan Migration". Anstatt mit Merkel vorab eine Lösung zu finden, hat Seehofer die Konfrontation auf offener Bühne gesucht. Wie wenig es ihm um die Sache geht, zeigt, dass Seehofer zwar den CSU-Abgeordneten seinen Plan präsentiert hat. Die Parlamentarier der CDU wurden aber bisher im Unklaren gelassen.

Ein Affront war auch die am Mittwoch präsentierte "Achse der Willigen" von Seehofer, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Italiens Innenminister Matteo Salvini. Sie wurde ohne Merkels Wissen geschmiedet, die Kanzlerin wurde öffentlich düpiert.

Im Verbund mit Seehofer agiert Söder. Er wollte bei einer Sitzung der Ministerpräsidenten seine Amtskollegen für den "Masterplan Migration" begeistern, legte das Papier aber nicht einmal vor. So etwas nennt man Chuzpe.

Seehofer treibt seine Alleingängen mittlerweile auf die Spitze: Sollte es keine Einigung zu seinen Gunsten mit Merkel geben, werde er seine Asylpolitik per Ministerentscheid durchsetzen. Dafür will er sich am Montag das Einverständnis des CSU-Vorstandes holen und den Beschluss auf Vorrat einsetzen. Spielt Seehofer die Karte, würde Merkel ihn sofort entlassen. Seehofer würde sich dann in Bayern als Opfer der Kanzlerin inszenieren.

Schon Strauß scheiterte

Mit diesem Schauspiel könnte die CSU vielleicht die Landtagswahl gewinnen. Sie hat aber noch viel mehr zu verlieren: Die Koalition in Berlin ginge in die Brüche. Neuwahlen wären unvermeidlich, denn CDU und SPD verfügen über keine Mehrheit.

Die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU wäre wohl auch perdu. Das muss die bayerische Regionalpartei noch mehr fürchten: Die CDU würde sofort einen Landesverband in Bayern gründen - wie 1976 angedroht. Umgekehrt ist unwahrscheinlich, dass sich die CSU mit ihrem Lokalkolorit in der Bundesrepublik etablieren kann. Franz Josef Strauß kündigte 1976 die Fraktionsgemeinschaft, nachdem die Union bei der Bundestagswahl gegen die Koalition aus SPD und FDP unterlegen war. Strauß’ Revolte gegen Helmut Kohl hielt nur drei Wochen.

1976 legte er das Gewicht einer Partei in die Waagschale, die 60 Prozent in Bayern erzielt hatte. 2017 erreichte die CSU nur mehr 38,8 Prozent. Sie braucht die Fraktionsgemeinschaft. Denn ihr Ergebnis in Bayern reicht nur für 6,2 Prozent im Bund. Die CSU wäre damit die kleinste Partei im aktuellen Bundestag.

Würde sich die CSU lösen, wäre die politische Rechte zwischen ihr, der CDU und der AfD aufgesplittet. Anstatt nur einer Kraft in dem Spektrum, wie die CSU hofft, gäbe es dann drei.

Für rationale Argumente scheint sich die CSU derzeit aber nicht zu interessieren.