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Abtausch

Von Alexander Dworzak

Politik

Frankreich übernimmt Asylverfahren, Merkel und Macron einigen sich auf Eurozonen-Budget.


Berlin/Brüssel/Wien. Emmanuel Macron gab sich galant, schenkte Angela Merkel öffentlichkeitswirksam vor den Kameras Tee ein. Die deutsche Kanzlerin lächelt bei dem Treffen in Schloss Meseberg bei Berlin am Dienstag - zuletzt ein seltenes Bild. Ihr bleiben nur zwei Wochen, um Abkommen mit EU-Staaten vorzuweisen. Sonst fängt der Streit mit der CSU wieder von vorne an. Innenminister Horst Seehofer setzt derweil erste Bestandteile seines "Masterplans Migration" um. Er wies die Polizei an, Personen, gegen die ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht, an der Grenze zurückzuweisen. Bisher geschah dies nicht, sofern die Personen einen Asylantrag stellten.

Kernforderung der bayerischen Christsozialen ist, dass Personen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Tatsächlich stimmt Macron zu, dass dies für aus Frankreich kommende Personen geschieht. Und ermöglicht Merkel einen ersten Erfolg.

Macron steht ebenfalls unter erheblichem Druck: Im September 2017 hielt Frankreichs Präsident seine Sorbonne-Rede über die Zukunft der EU. Seitdem sind seine Ideen über neue Euro-Umverteilungstöpfe kaum vom Fleck gekommen - auch aufgrund deutscher Bedenken. Der Vorstoß eines eigenen Finanzministers für den europäischen Währungsraum ist mittlerweile gar vom Tisch. Höchste Zeit auch für Macron, dass er einen Erfolg verbucht.

Asylpolitik als auch Eurozonen-Reform sind die bestimmenden Themen beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs ab Donnerstag kommender Woche. Bereits jetzt kursiert ein Entwurf der Gipfelerklärung. EU-Ratspräsident Donald Tusk ventiliert darin Flüchtlingszentren außerhalb der Union. Dort solle zwischen Schutzsuchenden infolge von Krieg und Wirtschaftsmigranten unterschieden werden. Innenminister Herbert Kickl schlägt gar vor, Asylanträge von Personen außerhalb Europas sollen nur mehr außerhalb Europas möglich sein.

"De facto Haftlager"

Für Lager in Afrika sprach sich Macron bereits 2017 aus. Deutschland scheint Libyen ins Auge zu fassen. Innenminister Seehofer ließ den Ländernamen fallen. "Gegebenenfalls schon dort asylrechtliche Verfahren", brachte Merkel nach dem Treffen mit Italiens Premier Giuseppe Conte ins Spiel. Diese müssten jedoch von UNO-Organisationen betreut werden. Denn die Menschenrechtslage im nordafrikanischen Staat ist desaströs. Von Vergewaltigungen und Zwangsarbeit berichteten NGOs, sogar als Sklaven wurden Flüchtlinge verkauft.

In Libyen hat die Zentralregierung nur begrenzten Einfluss. Dort müsse schnellstmöglich Stabilität hergestellt werden, sagte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani am Dienstag in Wien. Wenn die EU die Migrationsfrage langfristig lösen wolle, müsse sie in Afrika investieren, so Tajani nach dem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und forderte einen Afrika-Schwerpunkt während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes ab Juli ein.

Viele Staaten Afrikas dürften jedoch wenig Interesse an einem Asylzentrum in ihrem Land haben, analysiert die Bertelsmann-Stiftung. "Einerseits könnten sie befürchten, selbst vermehrt Ziel für Geflüchtete zu werden. Anderseits müssten sie Asylsuchende ohne Schutzperspektive zurückführen oder gestrandete Migranten integrieren", heißt es in einer im Mai veröffentlichten Studie. Die Integration, etwa auf dem Arbeitsmarkt, ist aufgrund der dortigen Wirtschaftslage kaum möglich. Und die Abschiebungen, mit denen Europa so kämpft, werden sich die Staaten kaum antun wollen. Asylzentren drohen "de facto Haftlager" zu werden.

Keine Summe genannt

Nicht minder problematisch steht es um Flüchtlinge laut der Genfer Konvention. Wer diese Personen aus den Asylzentren aufnimmt und nach welchem Verteilungsschlüssel dies geschieht, ist bisher nicht einmal ansatzweise geregelt. Eine EU-Quotenregelung scheint unrealistisch. Womöglich gelingt aber ein Ausgleich, indem verweigernde Staaten Kompensationszahlungen leisten.

Zahlen ganz anderer Größenordnung hatte Emmanuel Macron bei seinem Eurozonen-Budget im Sinne. Statt mehreren hundert Milliarden Euro konnte sich Angele Merkel nur einen "unteren zweistelligen Milliardenbereich" vorstellen. Einen konkreten Betrag nannte Merkel am Dienstag zwar nicht. Aber die Kanzlerin und Macron einigten sich auf ein Budget für die Eurozone. Gespeist werde es aus nationalen Mittlen, einer Finanztransaktionssteuer oder auch europäischen Mitteln, blieb Merkel vage. Die Gelder sollten für Investitionen verwendet werden, um die wirtschaftliche Annäherung der Eurostaaten zu fördern.

Macron und Merkel müssen sich auf harte Verhandlungen einstellen. Einige Länder lehnen das Eurozonen-Budget ab, allen voran die Niederlande: "Mir konnte noch niemand sagen, welches Problem wir damit lösen sollen", sagte Finanzminister Wopke Hoekstra der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".