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"Wir haben uns geeinigt"

Von Alexander Dworzak

Politik

Horst Seehofers angebotener Rücktritt hat CSU und CDU offenbar nachhaltig schockiert. Nach all dem erbitterten Ringen gibt es nun doch einen Kompromiss im Asylstreit.


Berlin/München/Wien. Kein anderer Politiker genießt in den Reihen der deutschen Konservativen so großes Ansehen wie Wolfgang Schäuble. Wenn sich CDU und CSU dieser Tage schon auf nichts anderes einigen können, dann darauf. Und wenn selbst der Bundestagspräsident sagt, die Unionsparteien stünden "am Abgrund", spricht das Bände über das Zerwürfnis zwischen den sogenannten Schwesterparteien.

Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer war bereits absprungbereit, als er in der Nacht auf Montag seinen Rücktritt von beiden Ämtern ankündigte. Dann rissen ihn seine Christsozialen zurück. Und am Montag trat Seehofer von sich aus ein paar Schritte von der politischen Klippe zurück. Er gab eine Frist bis Mittwoch aus. Bis zu seinem 69. Geburtstag sollen sich CDU und CSU einigen.

Gelegenheit zur Aussprache gab es bereits am Montag mehrfach: Erst trafen die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU zusammen. Und zwar wieder gemeinsam, wie es in einer Fraktion üblich ist - aber zuletzt nicht mehr war. "Der Wunsch, das zu lösen, ist groß", sagte Kanzlerin Angela Merkel in der Sitzung. Auf diese folgte ein Sechs-Augen-Gespräch zwischen Merkel, Seehofer und Schäuble. Danach kam es zum Gipfel im Kanzleramt, bei dem CDU und CSU mit je mit acht Personen vertreten waren; darunter für die CDU neben Merkel ihre Vertraute, Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Seehofer brachte beispielsweise Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder mit. Schließlich trat am späten Abend der Koalitionsausschuss zwischen CDU, CSU und SPD zusammen, den die Sozialdemokraten eingefordert hatten.

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Merkel überrumpelte CSU

"Mein Optimismus war vorgestern größer", sagte SPD-Chefin Andrea Nahles auf die Frage, ob sie zuversichtlich sei, dass CDU und CSU ihren Streit über die Flüchtlingspolitik beenden könnten. Denn in der Sache bleibt die CSU weiterhin unnachgiebig. Sie will Personen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, dorthin abschieben. Merkel verweist auf ihre Erfolge beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche. Sie schuf sogleich Fakten, indem sie öffentlich erklärte, ihre Verhandlungsergebnisse seien mehr als wirkungsgleich mit den Vorschlägen der CSU. Die Bayern fühlten sich daraufhin überrumpelt. Zusätzlich holte sich Merkel Rückendeckung durch den CDU-Vorstand: "Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner", heißt es in einer Erklärung, der sich lediglich der Thüringer Parteivorsitzende Mike Mohring enthielt.

In der Fraktion steht zwar rund ein Drittel der CDU-Abgeordneten inhaltlich hinter Seehofer. Doch die brüske Art, mit der die Bayern Merkels Gipfelergebnisse zerrissen haben, führte quer durch die Reihen zur Solidarisierung mit der Kanzlerin.

Seehofer hingegen musste eine Gegenstimme im CSU-Vorstand hinnehmen, als er nochmals Unterstützung für Grenzzurückweisungen einholte. Das passiert höchst selten in der so auf Geschlossenheit nach außen bedachten Partei. Und verdeutlicht, dass Seehofers Kurs auch bei den Christsozialen umstritten ist.

"Wir bleiben beieinander"

Die Dynamik der Beinahe-Eskalation hat CDU und CSU geschockt. Wenn jemandem der Ernst der Lage bisher nicht klar war, ist es nun so weit. Schließlich steht ein Kern der Identität der konservativen Parteien auf dem Spiel, die Fraktionsgemeinschaft. "Wir bleiben beieinander", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und erhielt minutenlangen Beifall von den Abgeordneten beider Parteien. "Wir sind zu Kompromissen bereit, das muss man ja auch sein in der Politik", sagte der bisher kompromisslose Söder, und brachte gleich eine neue Forderung ein. So sollen bayerische Grenzschutz-Einheiten die gleichen Rechte wie die Bundespolizei erhalten. Aus der Fraktionsgemeinschaft oder gar der Bundesregierung gebe es seitens der CSU aber "keinen Weg hinaus". Ein weiterer Wortführer gegen Merkel, der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, sprach von einem "lösbaren Problem".

Noch tags zuvor stilisierte Dobrindt nationale Maßnahmen zur "Grundsatzfrage der Glaubwürdigkeit unserer Politik". Diese wird die CSU trotz aller atmosphärischen Annäherung nicht von einem Tag auf den anderen aufgeben - erst recht nicht, wenn ihr die AfD vor der Landtagswahl im Oktober ständig vorhalten würde, die CSU sei gegenüber Merkel eingeknickt.

Aufseiten der CDU betonte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, man habe den Bayern bereits "breite Brücken" gebaut. Ihrer Leseart zufolge hat die CSU somit nichts für deren Bau getan und sie muss endlich über die Brücke gehen. Am besten nicht entlang des ungesicherten Randes. Sonst droht schon wieder der Abgrund.