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"Ich finde auch, dass es viel Geld ist"

Von Konstanze Walther

Politik

Die EU belegt Google mit einer Rekordstrafe von 4,3 Milliarden Euro wegen Wettbewerbsverstößen.


Brüssel. Es ist die höchste Kartellstrafe, die von der EU-Kommission jemals in einem Einzelfall verhängt worden ist. Am Mittwoch erklärt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die Kommission habe sich entschlossen, Google eine Strafe von 4,34 Milliarden Euro aufzubrummen. Die Geldbuße wurde noch am selben Tag offiziell verhängt.

Von Journalisten gefragt, ob Vestager mit dieser riesigen Summe auch eine politische Dimension mitdenkt, antwortete die Kommissarin: "Ich finde auch, dass es viel Geld ist." Aber es sei innerhalb der gängigen Berechnungen der Kommission, die Umsatz und Gewinn des Konzerns beziehungsweise des Mutterkonzerns (Alphabet) miteinbeziehen. Die Höhe der Strafe reflektiere außerdem laut Vestager "die Dauer (des Missbrauchs), dem Ernst sowie der Unternehmensgröße" geschuldet.

Die Kommission hatte dieses Verfahren, das "Android-Verfahren", bereits im April 2015 aufgenommen. Konkret geht es um Android, das Smartphone- und Tablet-Betriebssystem von Google und allen Diensten, die damit scheinbar zwingend Hand in Hand gehen. Android ist inzwischen praktisch das einzige Betriebssystem für Smartphones, die nicht aus der Apple/iPhone-Sphäre sind. Damit hat Google über Android durchaus die Hand über die Nutzung von mehr als 80 Prozent aller Smartphone-Benutzer.

Würde Google mit dieser Vormachtstellung pfleglich umgehen, hätte die Wettbewerbskommission kein Problem. Doch in Brüssel ist man zu dem Entschluss gekommen, dass Google diese Stellung missbräuchlich verwendet-

Smartphones brauchen, wie andere elektronische Geräte auch, ein Betriebssystem. Entweder die Hersteller entwickeln selbst eines - das kommt oft sehr teuer und ist selten von Erfolg gesegnet, das iOS von Apple mal abgesehen.

Oder die Hersteller greifen zu dem, was scheinbar frei nutzbar ist: Android von Google. Doch wenn die Hersteller Android benutzen wollen, können sie dieses System nicht alleine verwenden - es kommen zwingend vorinstallierte Dienste von Google gleich mit an Bord. Um auf den Google Playstore Zugriff zu haben, müssen etwa die Google-Suchmaschine und der Google Browser Chrome vorinstalliert werden.

Zudem soll Google laut Vestager die Handy-Hersteller daran hindern, Smartphones mit eigens weiter entwickelten Android-Versionen zu vertreiben. Bei solchen Änderungen hätte der Hersteller das Recht verloren, Telefone mit Android zu verkaufen.

Das zeige, dass das Betriebssystem nicht offen für alle wäre, betonte Vestager. Wettbewerbern sei die Möglichkeit genommen worden, innovativ und konkurrenzfähig zu sein, und Verbraucher seien um die Vorteile eines Wettbewerbs gebracht worden.

Google hat in der Vergangenheit auch Herstellern von Smartphones und Browsern mit Deals dazu gebracht, entweder Google bei der Vorinstallation exklusiv zu verwenden oder Google zur Haupt-Suchmaschine zu machen.

Das gehe laut Kommission so weit, dass Google die Erlöse aus Werbung in der Such-App nur mit Geräte-Herstellern teile, wenn sie auf den Telefonen und Tablets Exklusivität genieße.

Google: "Android steht für mehr Auswahl"

Google wies stets darauf hin, dass seine Dienste ja nur vorinstalliert seien, aber natürlich jederzeit konkurrierende Anbieter auf das Smartphone geladen werden können. Android stehe vielmehr für mehr Auswahl, nicht weniger", sagt Google in einer Aussendung.

Das sieht dann in der Praxis laut Vestager folgendermaßen aus: "Nur ein Prozent der Konsumenten haben eine andere Suchmaschine heruntergeladen. Und nur zehn Prozent der Nutzer haben einen konkurrierenden Browser heruntergeladen." Das belege eine Untersuchung der EU-Kommission zu dem Thema. "Das Sprichwort besagt zwar, einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul. Aber es hat sich gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Nutzer einfach das hernehmen, was mit ihrem Handy geliefert wird", skizziert Vestager.

Technik-Experten wissen zwar, wie man sich die konkurrierenden Dienste auf das Smartphone installiert. Aber die Mehrheit der Konsumenten sind mit dem Herunterladen von anderen Browsern oder Suchmaschinen vollkommen überfordert. Und es bedarf einer gewissen Fingerfertigkeit, um den "Google-Suchbalken", der auf den meisten Screens der Handys lauert, wegzubekommen. "Google ist einfach tief verwurzelt im Betriebssystem", lautet die Diagnose eines Informatikers.

Google hat angekündigt, die Wettbewerbstrafe anzufechten.

Man darf gespannt sein, wie sich die Situation weiter entwickelt. Vestager kündigte hohe Strafzahlungen an, wenn Google sein Verhalten nicht binnen 90 Tagen ändere. Diese Pönale kann bis zu 5 Prozent des Tagesumsatzes des Mutterkonzerns Alphabet ausmachen - multipliziert mit der Anzahl der Tage, in denen der Konzern säumig ist. Wie Google das bewerkstelligen soll, liege in der Sphäre des Konzerns, so Vestager.

Die EU-Kommission sieht in bisher drei Fällen die marktbeherrschende Stellung von Google kritisch: Bei Preisvergleichen, Android und wegen des Anzeigendienstes Adsense. Weitere Ermittlungen könnten folgen. So hat Vestager Untersuchungen etwa beim Google-Bilderdienst oder dem Kartenservice Google Maps angedeutet.

Auftakt der Ermittlungen machte die Preissuche. Der US-Konzern wurde 2017 verurteilt. Die Wettbewerbshüter monierten, dass Google die Ergebnisse für seinen Preisvergleichsdienst bei entsprechenden Suchbegriffen sehr weit oben in den Ergebnissen anzeigt. Der am besten platzierte Wettbewerber tauche erst deutlich später auf.