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Gericht in Madrid spielt auf Zeit

Von Konstanze Walther

Politik

Im Fall Puigdemont lehnt das Oberste Gericht eine Auslieferung aus Deutschland zu abgespeckten Konditionen ab.


Madrid. Nicht nur ein bisschen. Der Groll in Spaniens Justiz gegenüber Carles Puigdemont sitzt offenbar tief. Das Oberste Gericht verzichtet auf eine abgespeckte Anklage gegenüber dem abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten. Und verzichtet damit auf eine Auslieferung des Politikers, der sich derzeit auf freiem Fuß in Berlin aufhält.

Auf den ersten Blick scheint es ein Etappensieg für Puigdemont: Der europäische Haftbefehl gegen den Politiker wird zurückgezogen, erklärte der Ermittlungsrichter am Obersten Gericht, Pablo Llarena. Damit kann sich Puigdemont in Europa wieder frei bewegen.

Auf den zweiten Blick erkennt man aber ein Spiel auf Zeit der spanischen Justiz, die nicht von der Härte der Vorwürfe abrücken will.

Zur Erinnerung: Puigdemont hielt ein von der spanischen Justiz untersagtes Referendum über die Abspaltung Kataloniens von Spanien ab. Doch die spanische Verfassung postuliert schon im zweiten Artikel die Unauflösbarkeit des spanischen Territoriums, das nicht teilbar sei. Also das, was Puigdemont zur Abstimmung ausgerufen hatte.

Spaniens Justiz wirft ihm deswegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Rebellion, weil Puigdemont einen Angriff auf die Unteilbarkeit des Staatsgebietes unternommen hätte. Veruntreuung, weil er für die Abhaltung des Referendums öffentliche Gelder verwendet hat.

Madrid stellte Katalonien im Herbst 2017 unter Zwangsverwaltung. Puigdemont floh ins Ausland. Er tauchte dann in Belgien auf, während daheimgebliebene Weggefährten sich vor den Richtern in Madrid verantworten mussten und in Untersuchungshaft genommen wurden - wo einige von ihnen heute noch sind.

Spaniens Justiz stellte daraufhin einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont aus - Deutschland war damit gezwungen, den Katalanen bei einer Durchreise in Schleswig-Holstein festzunehmen und vorübergehend ebenfalls in U-Haft zu setzen. Das Gericht in Schleswig prüfte die spanischen Anklagepunkte der Rebellion und der Veruntreuung. Schließlich kam das deutsche Gericht zu dem Entschluss, dass man Puigdemont nur wegen Veruntreuung ausliefern könnte. Denn den Tatbestand der Rebellion kennt das deutsche Gesetzbuch nicht. Es wurde zwar auch der deutsche Tatbestand "Hochverrat" auf seine Anwendbarkeit geprüft, aber da fehle das Element der Gewalt, befand das Gericht. Die Argumentation Spaniens, dass Puigdemont Gewalt mit ins Spiel gebracht hätte, weil er die Ausschreitungen am Tag des Referendums in Kauf genommen hatte, ließ das deutsche Gericht nicht gelten.

Puigdemont muss spanisches Territorium weiter meiden

Für den Vorwurf der Veruntreuung könnt ihr ihn also haben, sagte Deutschland, da liefern wir ihn aus. Der Haken daran: In Spanien könnte Puigdemont diesfalls nicht mehr wegen Rebellion angeklagt werden. Der Unterschied: Bis zu 30 Jahre Haft.

Am Donnerstag ließ die spanische Justiz nun also wissen, man verzichtet unter diesen Bedingungen auf eine Auslieferung Puigdemonts. Das bedeutet aber auch, dass Puigdemont mit einer sofortigen Festnahme rechnen muss, sollte er spanisches Territorium betreten. Denn in Spanien bleibt der Haftbefehl und der Rebellionsvorwurf weiter aufrecht.