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Wink mit der Richtlinienkompetenz

Von Alexander Dworzak

Politik

Merkel kritisiert Stil der Debatte des Asylstreits, warnt Seehofer vor Wiederholung.


Berlin/Wien. Auch bei der Vielarbeiterin Angela Merkel hat der zwischen CDU und CSU in den vergangenen Wochen ausgetragene Streit um die Asylpolitik Spuren hinterlassen: "Ich will nicht verhehlen, dass ich mich freue, ein paar Tage Urlaub zu haben", bekundete die deutsche Kanzlerin am Freitag bei ihrer Sommer-Pressekonferenz.

Mehrfach selbstkritisch über den Stil der Debatte zwischen den Schwesterparteien äußerte sich Merkel dabei: "Wir müssen Konflikte künftig so austragen, dass die Ergebnisse nicht in den Hintergrund treten." Und: "Die Tonalität war oft sehr schroff." Die Kanzlerin gestand sogar zu, der Streit habe Politikverdruss erzeugt.

Inhaltlich steckte Merkel das Terrain ab und bedeutete ihrem Innenminister Horst Seehofer: "Erstrangig ist, dass die Handlungen der Regierung entsprechend den Richtlinien der Kanzlerin erfolgen". Seehofer sorgte am Höhepunkt der konservativen Krise, Anfang Juli, für Aufsehen mit der Äußerung, er lasse sich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur seinetwegen Kanzlerin sei.

Nun machte Merkel öffentlich deutlich, dass sie auch nicht vor dem Rausschmiss Seehofers zurückschrecken würde. An Rücktritt habe sie während der Auseinandersetzung nie gedacht, sagte Merkel - anders als Seehofer.

Der CSU-Chef steht unter Zugzwang. Schafft er keine Abkommen mit Italien und Österreich über die Rücknahme von Asylwerbern, die dort bereits registriert worden sind und auch in Deutschland einen Antrag stellen, droht Seehofer als Umfaller dazustehen - und der Streit wieder aufs Neue zu beginnen.

Wirbel um Anti-CSU-Demo

Andererseits zeigen die Umfragewerte, dass die CSU mit ihrer rabiaten Anti-Merkel-Linie den Bogen überspannt hat. Laut Infratest dimap kommen die Christsozialen derzeit auf 38 Prozent, das sind drei Prozentpunkte weniger als noch vor einem Monat. Vom Wahlziel, die absolute Mandatsmehrheit zu verteidigen, ist die CSU knapp drei Monate vor der Landtagswahl weit entfernt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ruderte bereits verbal zurück und erklärte, das Wort "Asyltourismus" künftig nicht mehr zu verwenden. Laut den Organisatoren der Demonstration "#ausgehetzt - gemeinsam gegen die Politik der Angst" stünden Söder, Seehofer und Alexander Dobdrindt, Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, für eine "verantwortungslose Politik der Spaltung". Rund 130 Organisationen rufen zur Kundgebung in München am Sonntagnachmittag auf. Dass auch die Intendanten der Münchner Kammerspiele und des Volkstheaters der Landeshauptstadt die Demonstration unterstützen, erzürnte die CSU. Sie forderte "dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen". Daraufhin solidarisierte sich Martin Kušej, Intendant des Münchner Residenztheaters und ab Herbst 2019 Direktor des Wiener Burgtheaters, mit seinen Kollegen.

Auch innerhalb der konservativen Union gibt es eine Gegenbewegung zum rabiaten Anti-Merkel-Kurs, der stellenweise an die AfD gemahnte. Mitglieder von CDU und CSU formieren sich zu einer losen "Union der Mitte". "Wir als ‚Union der Mitte‘ wollen nicht spalten, wir wollen uns in der Mitte treffen!", lautet das Motto der Initiative.

Gemeinsam agieren auch die Oberen beider Parteien, und zwar, indem sie den Druck auf die
Grünen erhöhen. Die Öko-Partei stemmt sich bisher in der Länderkammer, dem Bundesrat, dagegen, dass Tunesien, Marokko,
Algerien und Georgien als "sichere Herkunftsländer" gelten. Abgelehnte Asylwerber könnten dadurch schneller abgeschoben werden, die Grünen haben Bedenken ob der Menschenrechtssituation in den vier Staaten.

Bereits die vorige schwarz-rote Bundesregierung unter Merkel scheiterte mit einem ähnlichen Antrag im Bundesrat, der Tunesier, Marokkaner und Algerier betroffen hätte. In der Frage ist wenig Bewegung in Sicht - auch nach der Rückkehr Merkels aus der Sommerpause.