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313 Tage U-Haft - 460.000 Katalanen gehen auf die Straße

Von Konstanze Walther

Politik

Ein Nationalfeiertag im Zeichen der noch immer inhaftierten Ex-Regierungsmitglieder und anderen Protagonisten der Unabhängigkeit.


Barcelona/Madrid. Oriol Junqueras hat Geschichte studiert. Er hat für das Radio geschrieben und Bücher publiziert. Er ist Assistenzprofessor für Zeitgeschichte an der Autonomen Universität in Barcelona. Er ist außerdem Abgeordneter im katalanischen Parlament. Mit seiner Lebensgefährtin hat Junqueras zwei Kinder, beide sind noch keine sechs Jahre alt. Junqueras sitzt außerdem seit 313 Tagen in Untersuchungshaft. Erst im Juli wurde seinem Ansuchen stattgegeben, wenigstens nach Katalonien verlegt zu werden, um näher an seiner Familie zu sein.

Oriol Junqueras war einst Vizepräsident von Katalonien. Er ist der bekannteste Name der katalanischen Politiker sowie Unabhängigkeitslobbyisten, die noch immer in U-Haft sind, aber er ist nur einer von sechs: Neben Junqueras bleiben weiterhin in Haft: der Ex-Minister Raül Romeva, die ehemaligen Anführer der katalanischen Separatismus-Vereine, ANC, Jordi Sànchez (vom ANC), sowie Jordi Cuixart (von Òmnium Cultural), die Ex-Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und die Ex-Ministerin Dolors Bassa. Die beiden "Jordis" sind sogar in Einzelhaft.

Das Ersuchen auf Enthaftung wurde zweimal abgewiesen

Anfang November, in weniger als zwei Monaten, jährt sich die verhängte Untersuchungshaft. Das Vergehen der Häftlinge: Sie haben die Unabhängigkeit Kataloniens betrieben und dem damaligen Regierungschef Carles Puigdemont assistiert. Puigdemont selbst lebt auf freiem Fuß in Berlin, er ist bei der Absetzung der katalanischen Regierung geflohen. Der Europäische Haftbefehl gegen ihn wurde inzwischen aufgehoben.

Junqueras und seine inhaftierten Ex-Minister haben schon im November 2017 um Freilassung ersucht und haben die Entscheidung der Zentralregierung in Madrid, Katalonien unter Zwangsverwaltung zu stellen, nun doch anerkannt. Doch das Oberste Gericht entschied gegen eine Freilassung im Dezember. Dann wurde in Katalonien gewählt. Junqueras Partei, die ERC, wurde drittstärkste Kraft und Junqueras ersuchte erneut um Freilassung. Er sei ein "Mann des Friedens", der den Dialog suche, sagte der 48-Jährige Medienberichten zufolge. Das Oberste Gericht verneinte: Nichts deute darauf hin, dass der Antragsteller "seine Absicht aufgegeben habe, die Unabhängigkeit Kataloniens durch eine einseitige Erklärung zu erreichen", hieß es damals. Dabei gilt Junqueras als nicht ganz so radikal wie die Partei Puigdemonts, der JxCat.

Selbst neutrale Beobachter tun sich schwer, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in der langen U-Haft der Katalanen zu erkennen. Für diejenigen, die mit der Unabhängigkeit sympathisieren, ist es ein anhaltender Skandal. Es ist also kein Wunder, dass bei dem diesjährigen Nationalfeiertag in Katalonien, dem 11. September, besonders viele Menschen auf die Straße gingen. Nach Angaben der Veranstalter hatten sich bis Montagabend rund 460.000 Menschen zur Teilnahme angemeldet.

Man protestierte für die Freilassung der Gefangenen - und irgendwie auch für eine Republik, obwohl hier noch immer nicht gewiss ist, wie diese zustande kommen soll. Junqueras ließ etwa aus der Haft in einem Fernsehinterview wissen, dass es "keine Abkürzungen auf dem Weg zur Unabhängigkeit" gebe und es nur im Rahmen eines legalen - von Madrid gebilligten - Referendums stattfinden könne.

Die Sprecherin von Junqueras‘ Partei, Marta Vilalta, meldete sich daraufhin gleich zu Wort, um die radikaleren Anhänger der ERC zu beruhigen: Man würde keinen Weg ausschließen, um zur Unabhängigkeit zu gelangen, notfalls auch ohne dem Einverständnis mit Madrid. Der Präsident der Regionalregierung, Quim Torra, der der Partei JxCat nahesteht, bekräftigte, dass seine Regierung für die Entstehung der Republik einsetzt. "Wir machen es für all die politischen Gefangenen und für die, die im Exil sind", fügt er hinzu.