Brüssel/Wien. (czar) Gut zwei Jahre ist es her, dass Dimitris Avramopoulos auf den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex drängte. Deren Mandat solle gestärkt, das Personal aufgestockt werden, forderte der EU-Innenkommissar. Es hat also einen Wiedererkennungseffekt, wenn Avramopoulos nun dafür plädiert, die europäische Grenz- und Küstenwache zu stärken. Diese sollte mehr Befugnisse, mehr Geld, mehr Personal erhalten.
Dass das Thema wieder auf der Agenda steht, ist andererseits wenig verwunderlich. Denn seit Jahren ringen die Mitgliedstaaten um eine einheitliche Position in der Migrations- und Flüchtlingspolitik, und seit Jahren können sie sich nicht auf die Verteilung von Asylwerbern innerhalb der EU einigen. Nur dass die Sicherung der Außengrenzen der Union eine Priorität bildet - dem können so gut wie alle Länder zustimmen. Über mögliche Maßnahmen dazu werden die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem informellen Gipfeltreffen in der kommenden Woche in Salzburg beraten.
Dabei könnten auch die jüngsten Vorschläge der Kommission zur Sprache kommen, die Präsident Jean-Claude Juncker bereits am Mittwoch bei seiner Rede zur Lage der Union in Straßburg erwähnt und Avramopoulos tags darauf in Brüssel ausgeführt hatte. So soll der Frontex-Stab bis zum Jahr 2020 von derzeit rund 1600 Mitarbeitern auf 10.000 Beamte anwachsen. Es geht dabei um eine ständige Reserve, die die Mitgliedstaaten mit entsandten Einsatzkräften versorgen. Bezahlt werden diese dann von der Grenzschutzagentur.
Abkommen zu Rückführung
Tätig werden sollen die Grenzschützer, wenn ein Land sie anfordert. Ohne solch ein Ersuchen soll es nur in Notsituationen dazu kommen - wenn etwa die Grenzkontrollen nicht mehr wirksam sind und damit der Schengen-Raum innerhalb der Union nicht mehr funktionsfähig ist. Auch wenn eine "Militarisierung" der Grenzen laut Avramopoulos nicht zur Debatte steht, sollen die Beamten Waffen tragen dürfen. Das richtet sich jedoch nach nationalen Regelungen.
Für das Personal wie auch für die Ausrüstung - wie Schiffe und Flugzeuge - soll es künftig mehr finanzielle Mittel als bisher geben. Im Budgetplan für die Jahre 2021 bis 2027 sind dafür 11,3 Milliarden Euro vorgesehen. Den Haushaltsentwurf müssen allerdings nicht zuletzt die Länder annehmen.
Die Überlegungen der Kommission richten sich aber auch auf eine Aufwertung der europäischen Asylbehörde, die in der kommenden Finanzperiode mit 1,25 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Außerdem sollen Rückführungen schneller durchgeführt werden können.
Daran arbeiten manche Länder jetzt schon. Deutschland beispielsweise will dies mit Rücknahmeabkommen erreichen. Entsprechende Vereinbarungen hat es schon mit Spanien und Griechenland getroffen. Nun will Innenminister Horst Seehofer einen weiteren Vertrag mit seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini unterschreiben. Die Abkommen sehen vor, dass Menschen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden und einen Asylantrag bereits in einem anderen Land gestellt haben, innerhalb von 48 Stunden zurückgewiesen werden.
Österreich kontrolliert weiter
Kooperieren wollen die EU-Staaten ebenfalls mit den Ländern Südosteuropas. Bei einem Treffen der Innenminister in Wien wurde daher eine Vereinbarung zur Ausweitung der polizeilichen Zusammenarbeit auf den Westbalkan unterzeichnet. Die Behörden sollen so direkten Zugang auf die Datenbanken mit DNA- oder Fingerabdrücken aller anderen Mitglieder erhalten.
Am Rande der Zusammenkunft erklärte der österreichische Innenminister Herbert Kickl, dass das Land seine Grenzkontrollen beibehalten möchte - so lange, bis es einen Schutz der Außengrenzen "nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch" gibt, wie ihn die Austria Presseagentur zitiert. Österreich hatte wie ein paar andere Staaten die Kontrollen 2015 eingeführt und immer wieder verlängert. Die EU-Kommission drängt jedoch darauf, dass die Länder so schnell wie möglich davon abgehen.