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Erster Gegenwind für Merz

Von Alexander Dworzak

Politik

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz hat das Momentum auf seiner Seite, aber auch Erklärungsbedarf wegen seiner Jobs.


Berlin/Wien. Die Rückkehrpläne von Friedrich Merz begeistern Teile der CDU. Verspricht doch der frühere Fraktionschef einen gesellschaftspolitisch konservativen und wirtschaftlich liberalen Kurs. Wer kritisch zu Angela Merkel steht, fühlt sich Merz - wie auch einem weiteren Kandidaten, Gesundheitsminister Jens Spahn - intuitiv verbunden.

Nun steht eine erste Belastungsprobe für Merz bevor, denn seine beruflichen Tätigkeiten in den vergangenen Jahren werden kritisch unter die Lupe genommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit sind derzeit zwei Mandate des Wirtschaftsanwalts. Seit 2016 ist er Aufsichtsratsvorsitzender und zugleich Berater der deutschen Abteilung von Blackrock. Die weltgrößte Vermögensgesellschaft hält Anteile in Höhe mehrerer Dutzend Milliarden Euro an deutschen Firmen und ist größter Einzelaktionär bei gleich sechs im Frankfurter DAX notierten Unternehmen: Allianz, BASF, Bayer, Eon, Merck und Munich Re.

Die lobbykritische Organisation Lobbycontrol fürchtet daher Interessenskonflikte: Merz müsse sicherstellen, "dass er seinen bisherigen Arbeitgebern keinen bevorzugten Zugang zur Politik bietet". So müsse geklärt werden, bei welchen Themen er sich für Blackrock politisch eingesetzt habe. Der Begriff der "Heuschrecke" kehrt wieder zurück, SPD-Chef Franz Müntefering wetterte 2005 gegen rücksichtslose Investoren. Merz wies den Vorwurf zurück, bei Blackrock handle es sich um eine solche.

Der 62-Jährige ist zudem seit 2010 Aufsichtsrat in der deutschen Abteilung von HSBC. Die Großbank wird mit "Cum-Ex"-Geschäften in Verbindung gebracht, bei denen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mithilfe ihrer Bank mindestens zwei Mal erstatten ließen. Europaweit wird der dadurch entstandene Schaden für die Steuerzahler auf bis zu 55 Milliarden Euro geschätzt. Derartige Geschäfte seien vollkommen unmoralisch, sagte Merz der "Süddeutschen Zeitung". HSBC Deutschland erklärte, die Bank habe sich "nicht bewusst" an solchen Geschäften beteiligt. Die Grünen kritisieren Merz: Ein Aufsichtsrat müsse dafür sorgen, "dass die Strategie des Unternehmens keinen Raum schafft für kriminelle Geschäfte".

Weniger im öffentlichen Blick ist bisher, dass Merz laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" als Partner der Kanzlei Mayer Brown LLP auch die Interessen eines Hedgefonds vertrat und den US-Finanzinvestor Lone Star bei der Übernahme der deutschen Bank IKB beriet. Gegner werden auch darauf verweisen, dass Merz 2006 als Bundestagsabgeordneter gegen die Offenlegung seiner Nebeneinkünfte geklagt hatte.

Seine Anwaltszulassung will Merz ruhen lassen, falls er CDU-Vorsitzender wird, ebenso seine insgesamt fünf Aufsichtsratsmandate. Den Vorwurf, er sei lediglich ein Vertreter der Großkonzerne und Finanzinvestoren, wird der Kandidat aber wohl öfters bis zur Wahl des Parteivorsitzes in der zweiten Dezemberwoche zu hören bekommen.

Schäuble assistiert Merz

Bereits an diesem Wochenende beraten die Spitzen der CDU als auch der SPD, wie es weitergehen soll. Während die Sozialdemokraten den Fahrplan für drängende Themen in der Koalition besprechen, steht bei der CDU die Vorsitzfrage klar im Vordergrund.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble soll laut "Spiegel" seit längerem die Kandidatur von Merz vorantreiben. So sei etwa ein Treffen Merz’ mit dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul, auf Vermittlung von Schäuble zustande gekommen - von dem Daul dann Merkel berichtet haben soll. Die Kanzlerin war also im Bilde, dass der Mann, den sie 2002 als Fraktionschef abgesägt hatte, wieder zurück in die Politik drängt.

Wie alle in Berlin sah Schäuble Merkels Autoritätsverlust in den vergangenen drei Jahren, der mit der Flüchtlingskrise begonnen hat. Der 76-jährige Bundestagspräsident stand aber trotz kritischer Bemerkungen loyal zur Kanzlerin, so wie einstmals zu Helmut Kohl.

"Man kann nicht regieren, indem man über alles Konsenssoße gießt", sagte Schäuble einmal. Das Zitat klingt nach einer Abrechnung mit Angela Merkels Verwässerung der CDU-Positionen Richtung Mitte, tatsächlich urteilte Schäuble damit hart über die Ära Kohl. Der Wende-Kanzler konnte nicht vom Amt lassen, sein über Jahrzehnte treuer Weggefährte Schäuble putschte aber nicht trotz der drohenden Wahlniederlage 1998. Die CDU verlor dann tatsächlich das Kanzleramt an die SPD.

Gegenüber Merkel zeigte Schäuble mehrfach Loyalität - obwohl sie ihm 2004 das Amt des Bundespräsidenten verwehrt hatte. Als sie ein Jahr darauf Kanzlerin wurde, zog Schäuble in das Kabinett ein. Vier Jahre als Innenminister folgten acht Jahre im Finanzministerium. Nachdem die AfD nach der Bundestagswahl 2017 mehr als zwölf Prozent errang, wurde Schäuble Bundestagspräsident. Seine Autorität aus 45 Jahren im Parlament soll die Nationalpopulisten zügeln.

In der CSU und Teilen der CDU kursierten nach den Ereignissen des Sommers 2015 Planspiele, Merkel zu stürzen. Schäuble sollte als interimistischer Parteichef die Union versöhnen, er ließ sich aber nicht einspannen.

Sein Engagement für Merz ist auch bemerkenswert, weil Schäuble die Karriere von Merkel-Kritiker Jens Spahn förderte. 2015 wurde Spahn Staatssekretär in Schäubles Finanzministerium. Doch scheinbar traut Schäuble dem 38-Jährigen noch nicht den CDU-Vorsitz zu.

Spahn eröffnete bereits seine Kampagne mit einem Imagevideo, Merz stellte sich den Journalisten bei einer Pressekonferenz. Die dritte aussichtsreiche Kandidatin, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, überstürzt derweil nichts und twittert: "Weitere Äußerungen zur Kandidatur Parteivorsitz allerdings erst nächste Woche. Termin folgt." Die geübte Wahlkämpferin weiß, in den kommenden fünf Wochen wird noch viel passieren.