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"Großteil der Fälle ist Verhetzung"

Von Marina Delcheva

Politik
"In den letzten Jahren haben wir eine Steigerung von 15 Prozent bei Hasspostings", sagt die Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, Cornelia Koller.
© Susanne Trost

Staatsanwältin Cornelia Koller über Klarnamenspflicht und die Ohnmacht gegenüber Facebook.


Wien. Die Regierung plant eine Klarnamenspflicht für Nutzer von sozialen Medien, Foren und Online-Plattformen in Österreich, um Hassbotschaften im Netz schneller zu ahnden. Das anonyme Posten soll weiterhin möglich sein, Provider sollen aber die verwendeten Pseudonyme mit Klarnamen hinterlegen und bei Bedarf diese an Ermittlungsbehörden weitergeben. Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung der Österreichischen Staatsanwälte, begrüßt eine Klarnamenregelung. Allerdings löse das nicht Probleme wie fehlende Ressourcen, kurze Verjährungsfristen und die Ohnmacht gegenüber Facebook und Co.

"Wiener Zeitung": Wie bewerten Sie die Idee zur Klarnamenpflicht?

Cornelia Koller: Wir weisen schon lange auf die Bekämpfung von Cyber-Crime und Hass im Netz hin. Wir sind die erste Ansprechstelle, sei es für Postings, die strafbare Handlungen begründen, sei es für Cyber-Mobbing oder Verhetzung. Wir als Vereinigung befürworten diese Initiative. Bislang war unser Ansatzpunkt die IP-Adresse. Die Menschen sind jetzt schon nicht anonym im Internet, weil sie über die IP-Adresse ausforschbar sind. Dazu müssen wir aber sehr schnell handeln, weil diese in der Regel nur sechs Monate gespeichert werden darf. Und da hapert es momentan an den Kapazitäten, die wir zur Verfügung haben.

Wie haben sich die Anzeigen in Zusammenhang mit Hass im Netz, Verhetzung, Drohung in den letzten Jahren entwickelt?

In den letzten Jahren haben wir eine Steigerung von 15 Prozent bei Hasspostings. Beleidigungen sind in Österreich ein Privatanklagedelikt. Die Staatsanwaltschaft ist also nicht damit befasst, außer es handelt sich um Beleidigungen an die Bundesregierung oder an einer öffentlichen Person. Beim Großteil der Anfallszahlen handelt es sich um verhetzende Tatbestände gegen Volks- oder Religionsgruppen. Hinzu kommen Nötigungen, gefährliche Drohungen; Cybermobbing nimmt vor allem unter Jugendlichen immer mehr zu.

Sehen Sie strafrechtlich relevante Tatbestände beim höchst umstrittenen YouTube-Video, das die FPÖ am Dienstag in Zusammenhang mit E-Card-Missbrauch veröffentlicht hat? (Das Video wurde mittlerweile aus dem Netz genommen, Anm.)

Die Staatsanwaltschaft Wien wird jetzt prüfen, ob es unter den Tatbestand der Verhetzung fällt. Ich weiß, dass es hier eine Anzeige gibt.

Welche Probleme oder Lücken sehen Sie bei der Umsetzung der Klarnamenspflicht?

Ich war ehrlich gesagt verwundert, dass das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft in dieses Gipfeltreffen am Dienstag nicht eingebunden waren. Ich sehe erstens ein Problem bei der Überprüfung, ob ich den richtigen Namen eintrage. Das noch größere Problem, glaube ich, sind die Betreiber dieser Server und Plattformen, die ja zum Großteil nicht in Österreich sitzen. Wir werden mit nationalem Recht wohl schwer Facebook, Twitter und Co zwingen können, dieses in Irland oder den Vereinigten Staaten einzuhalten. Es ist aktuell ein Problem, dass Facebook nur sehr schwerfällig auf IP-Adressenabfragen von uns reagiert und wir hier überhaupt kein Druckmittel haben.

Das heißt, dass Facebook in Ermittlungsfällen nicht kooperiert?

Das passiert sehr langsam und sehr mühsam. Es funktioniert mittlerweile ein bisschen besser. IP-Adressen sind die einzigen und stichhaltigsten Ermittlungsansätze, die wir zur Verfügung haben. Das zweite Problem ist, dass alle Hasspostings auf Facebook dem Mediengesetz unterliegen. Und hier liegt die Verjährungsfrist bei einem Jahr. Jetzt besteht das Problem, dass die Anzeige oft nicht sofort erfolgt. Dann müssen wir eine Anfrage an den Betreiber schicken, wem die IP-Adresse gehört. Und bis wir den Täter ausgeforscht haben, ist das Jahr oft schon um. Wir arbeiten mit dem Justizministerium daran, dass die Frist verlängert wird, aber auch dann brauchen wir die entsprechenden Ressourcen, diese Anzeigenflut rasch zu bearbeiten. Der Zeitfaktor ist bei der Internetkriminalität sehr wichtig.

Kritiker befürchten mit der Klarnamenpflicht eine Überwachung aller Bürger und Datenmissbrauch. Wie beurteilen Sie die Kritik?

Ich bin keine Datenexpertin, ich finde die Kritik aber berechtigt. Ich bin selbst nicht sicher, ob der Mehrwert, der aus der Maßnahme erzielt wird, dieses Datenschutzrisiko aufwiegt.

Viele Hassbotschaften sind nicht strafbar, weil sie privat und nicht öffentlich verschickt werden. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Das kann ich als Staatsanwältin schwer beurteilen. Jede Beleidigung strafrechtlich zu ahnden, fände ich überzogen. Dass man den Tatbestand der Beleidigung im Verwaltungsrecht öffnet, kann man sicherlich mit Experten diskutieren.