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"12-Stunden-Tag hat dort nichts verloren"

Von Karl Ettinger

Politik

Der 12-Stunden-Tag belastet die Lohnrunde. Die Wirtschaft stellt sich gegen die Gewerkschaft.


Wien. Nach dreitägigen Warnstreiks wurden am Donnerstagnachmittag die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern über die Kollektivverträge für rund 130.000 Beschäftigte in der Metalltechnischen Industrie mit der sechsten Runde fortgesetzt. Überschattet war auch dieses Treffen vom Konflikt um das neue Arbeitszeitgesetz, das den 12-Stunden-Tag erlaubt. Als Kompensation dafür hat die Gewerkschaft neben der Forderung nach einer fünfprozentigen Lohnforderung ein Wunschpaket mit höheren Zuschlägen, bezahlten Arbeitspausen bei längerer Arbeitszeit und Vier-Tage-Woche mit auf den Verhandlungstisch gelegt.

"Das hat dort nichts verloren." Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf zeigte sich höchst ungehalten über das "Hereinziehen politischer Unzufriedenheit" über das von der ÖVP-FPÖ-Koalition beschlossene Arbeitszeitgesetz in die Kollektivvertragsverhandlungen. Das sei für die Sozialpartnerschaft "höchst problematisch". Das Forderungspaket der Gewerkschaft sei "völlig jenseits". Denn dieses würde die Kosten für die Betriebe um 20 Prozent erhöhen.

"Realität ist anders, Propaganda der Arbeitnehmerseite wirkt"

Die Verhandlungen der Metalltechnischen Industrie selbst begannen mit fast unveränderten verhärteten Fronten zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebervertretern. Im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen hat die Gewerkschaft mit längeren Streiks ab Montag gedroht.

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Auf politischer Ebene steht die nächste Auseinandersetzung um das neue Arbeitszeitgesetz und den 12-Stunden-Tag heute, Freitag bei einer Sondersitzung des Nationalrats auf Antrag der SPÖ bevor. Nach einer von der Wirtschaftskammer beim "market"-Institut in Auftrag gegebenen Studie zeigt sich dabei bei den Arbeitnehmern (1000 Befragte) eine große Diskrepanz: Die Zufriedenhoheit der Beschäftigten mit dem eigenen Arbeitsplatz ist mit 85 Prozent stabil auf hohem Niveau. 87 Prozent sind mit ihrer Arbeitszeit zufrieden. Die persönliche Betroffenheit durch neue Arbeitszeiten hält sich in Grenzen, nur vier Prozent sind von längeren Arbeitstagen betroffen.

Bemerkenswert ist aber, dass sich die Einstellung der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres gegenüber flexibleren Arbeitszeiten und einem 12-Stunden-Tag gedreht hat. Im Jahr 2017 hat noch eine Mehrheit von 58 zu 37 Prozent den 12-Stunden-Tag positiv gesehen. Heuer im Oktober, ein Monat nach Einführung der neuen Arbeitszeitregeln, war es praktisch umgekehrt: Eine Mehrheit von 54 zu 39 Prozent sieht die Verlängerung der Arbeitszeit nun skeptisch und kritisch.

Kopf zog daraus den Schluss: "Die Propaganda der Arbeitnehmerseite wirkt. Aber sie bewegt sich völlig abseits der Realität in den Betrieben." Denn es würden "Einzelfälle skandalisiert". In Wahrheit gebe es eine partnerschaftliche Gestaltung der Arbeitszeit in der überwiegenden Zahl der Betriebe. "Wir haben keinerlei Verständnis für das Handeln von schwarzen Schafen, aber man muss die Kirche schon im Dorf lassen", sagte Kopf. Er könne nur an die Arbeitnehmervertreter appellieren, die "irreführende Kampagnisierung" einzustellen.

SPÖ und Gewerkschaft sehen die Situation allerdings ganz anders. Für sie handelt es sich bei den bisher bekannt gewordenen Verstößen gegen das neue Arbeitszeitgesetz lediglich um "die Spitze des Eisbergs".

Für "market"-Studienleiter David Pfarrhofer hat noch vor einem Jahr bei flexiblen Arbeitszeiten in den Köpfen der Arbeitnehmer mitgeschwungen, damit bestehe auch die Chance, sich die Zeit einzuteilen. In der Zwischenzeit gebe es in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung, es ergeben sich Nachteile, auch wenn es auf betrieblicher Ebene anders sei.

Sieben Prozent der Firmen wollen Arbeitszeit ändern

Für die Studie wurden auch 500 Firmen befragt. Dabei gaben 87 Prozent der Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern an, dass sie aufgrund des neuen Arbeitszeitgesetzes Betriebs- oder Einzelvereinbarungen nicht geändert haben und das auch nicht planen. Drei Prozent der Unternehmen haben das hingegen schon gemacht, weitere sieben Prozent haben die Absicht, Änderungen vorzunehmen. Bei zwei Prozent der befragten Betriebe hat sich die Arbeitszeitpraxis geändert, weitere sieben Prozent beabsichtigen das. 89 Prozent der Firmen wollen hingegen keine Änderung vornehmen. Bei der Arbeitszeiteinteilung werden nach Angaben der Unternehmen bei 93 Prozent die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigt.

Für die Regierung legte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) eine erste Bilanz vor. Demnach hat es heuer im Oktober weniger Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes gegeben als im Oktober 2017, nämlich heuer 294 gegenüber 383 im Vorjahr. Für den ÖGB war das aber zu erwarten, nachdem die Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden ausgeweitet und so legalisiert wurde.

Nach einer Gallup-Umfrage arbeiten übrigens heimische Unternehmer 58 Stunden pro Woche und im Schnitt 5,9 Tage. Am höchsten ist das Pensum im Agrarsektor sowie im Tourismus mit 6,6 beziehungsweise 6,4 Arbeitstagen pro Woche.