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Rendi-Wagners Plan für die SPÖ

Von Werner Reisinger

Politik

Rendi-Wagner will sich um konkrete Bedürfnisse der Wähler kümmern - nicht um abstrakte Zukunftsentwürfe.


Wels/Wien. Eine emotionale Rede, Kampfansagen, Luftsprünge nach einer gelungenen Kür: Den am Sonntag zu Ende gegangenen Parteitag der SPÖ in Wels kann die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner durchaus als Erfolg verbuchen. Nach all den Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate war dieser auch bitter nötig. Nicht nur der Vorsitzenden selbst fiel am Samstag nach ihrer Wahl mit 97,81 Prozent sichtlich ein Stein vom Herzen. Auch unter den Delegierten machte sich zumindest für ein Wochenende so etwas wie Aufbruchsstimmung breit. Man traut der neuen Chefin etwas zu. "Mit einem guten Gefühl" könne man jetzt an die Arbeit gehen, sagte Rendi-Wagner am Sonntag zum Abschluss des Parteitages.

Ebenso klar ist den Delegierten, einfachen Funktionären wie Abgeordneten, dass Rendi-Wagner inhaltlich vorlegen muss - auch wenn sie für die thematische Positionierung nun bequeme vier Jahre Zeit hat. Die Oppositionsarbeit muss trotzdem in die Gänge kommen - das war in Wels von vielen Delegierten zu hören. In Wahrheit benötigte die SPÖ ein ganzes Jahr, um ihre personellen Probleme und Grabenkämpfe, die schon vor der Nationalratswahl im Oktober 2017 deutlich sichtbar waren, nun durch den Wechsel an der Spitze endlich beenden zu können.

Konkrete Hilfe ins Zentrum

Ein Jahr, das ist bei der Geschwindigkeit, mit der die ÖVP-FPÖ-Koalition zu Werke geht, eine lange Zeit. Je länger die SPÖ braucht, mit einer substanziellen Oppositionspolitik aufzufallen, desto stärker verfestigt sich das Bild der Wähler, wonach die Genossen "am Sand" seien. "Wir sind ein wenig ramponiert", musste auch Evelyn Regner, Listenzweite bei der EU-Wahl im Mai 2019, am Sonntag zugeben. Was also hat Rendi-Wagner mit der angeschlagenen Partei vor?

Inhaltlich setzt sie, anders als ihr Vorgänger, der viel von großen Zukunftsthemen sprach, auf die tägliche Lebensrealität ihrer möglichen Wähler: Gesundheitsversorgung, Wohnkosten, Bildung und Schule, und nicht zuletzt auf Frauenpolitik. Dass eine empathisch wirkende Frau an der Spitze ein wirksamer Kontrast zur aktuellen Regierungsspitze mit ihrem Lieblingsthema Ausländer sein könnte, davon sind auch viele Politologen überzeugt. Schon am Samstag präsentierte Rendi-Wagner einen ersten Vorgeschmack, wie die neue rote Oppositionspolitik daherkommen könnte: Ersparnis einer Monatsmiete im Jahr durch Streichung der Mehrwertsteuer (derzeit 10 Prozent), weitere Senkung der Mieten durch ein neues Universalmietrecht und Abschaffung der Maklergebühren für Mieter und Wohnungskäufer. "Uns geht es darum, die Lebensumstände der Menschen zu verbessern", lautet der dazugehörige Parteitags-Sager Rendi-Wagners.

Die SPÖ wird künftig für mehr und besser ausgebildete Lehrer und Sozialarbeiter nicht nur in sogenannten Brennpunktschulen eintreten. Eigene Themen in den Vordergrund, nicht nur über die Gegnerschaft zu Kurz und Strache definieren. "Politik ist kein Selbstzweck", das wolle sie ihren Mitstreitern einbläuen. Ein "Retro-Programm" sei das, ätzen schon manche Analytiker. Sie möge sich um die sozialen und finanziellen Ängste der Mittelschichten kümmern, so deren Rat.

Am Thema Migration kann Rendi-Wagner dennoch nicht vorbei. "Humanität und Ordnung" heißt hier das Konzept. So viel Hilfe wie möglich, so viel Sicherheit wie nötig, dazu aber ein volles Bekenntnis zur Genfer Konvention und den Menschenrechten. Ob das in den zu FPÖ-Hochbugen mutierten ehemaligen Stammwähler-Gegenden ziehen wird? Den dortigen Wählern, sofern diese nicht inzwischen unwiederbringlich bei der FPÖ verwurzelt sind, ein Angebot zu machen, wird für die Kern-Nachfolgerin sicher eine schwere Übung.

Helfen könnte da der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig oder auch Hans Niessls Nachfolger in spe im Burgenland, Hans-Peter Doskozil. Vor allem Letzterer gilt den links-liberalen und linken Teilen der Partei inzwischen als rotes Tuch, beide genießen aber im Arbeitermilieu und unter sozial schwächeren Schichten aktuell größere Beliebtheit als die Akademikerin Rendi-Wagner. Gerade um diese Schichten will Rendi-Wagner "rennen", wie sie auch in Wels ankündigte.

Kaum mehr Mitbestimmung

"Die Partei braucht mich und ich die Partei." Viel hängt davon ab, ob auch Wien und das Burgenland für die zweifelsohne motivierte neue Chefin rennen werden - oder ob es weiter Querschüsse gibt.

Zum "Rennen" für die Schwachen und Resignierten braucht Rendi-Wagner tatsächlich den Parteiapparat, die Klinkenputzer, die "Basiswappler". Diesen wurde noch unter Christian Kern mehr parteiinterne Mitbestimmung versprochen. Zigtausende Mitglieder und Sympathisanten waren in die Erstellung einer durchlässigeren und demokratischeren Parteistruktur eingebunden worden.

Geblieben ist davon nicht viel. Die am Sonntag beschlossenen Statuten überlassen es dem Parteivorstand, die Mitglieder über einen etwaigen Koalitionspakt abstimmen zu lassen - oder eben nicht. Und Luftsprünge am Parteitag sind künftig nur mehr alle drei, nicht mehr alle zwei Jahre drinnen.