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"Natürlich mache ich linke Politik"

Von Daniel Bischof

Politik

Die neue Nummer eins der Wiener Grünen will ökologische und soziale Fragen stärker verknüpfen.


Wien. Ganz war sie am Dienstag bei den Grünen noch nicht verflogen, die Aufregung nach der großen Wahl. Als "Birgit Kraus" kündigte der Pressesprecher die neue Nummer 1 der Wiener Grünen bei ihrem ersten Medienaufritt an. Peinlich berührt, korrigierte er seinen Patzer, nur um ihn kurze Zeit später zu wiederholen.

Natürlich meinte der Sprecher Birgit Hebein, die sich am späten Montagabend in der parteiinternen Wahl unter anderem gegen ihren Konkurrenten Peter Kraus durchgesetzt hatte (siehe Seite 16). In der Donaustadt stellte sich die neue Spitzenkandidatin der Grünen für die nächste Wien-Wahl der Öffentlichkeit.

"Ich bin ein bissl aufgeregt", gestand Hebein. Sie sei noch immer "sehr beeindruckt von dem enormen Zuspruch, den ich erhalten habe". "Das sickert jetzt einmal langsam ein." Hinsichtlich ihrer konkreten Pläne zeigte sich die frisch gekürte Kandidatin und Sozialsprecherin der Wiener Grünen noch bedeckt: "Ich habe noch nicht alle Antworten."

"Was denn sonst?"

Zum Wahlprozess: Pro Wahlgang wird immer der Letzte eleminiert und dessen Zweitstimmen auf die anderen verteilt. Das geht so, bis einer am Ende 50 Prozent hat.
© Die Grünen

Heute, Mittwoch, werde ein Gespräch mit Verkehrs- und Planungsstadträtin Maria Vassilakou stattfinden, auch eine Klubklausur sei in Planung. Danach werde es Klarheit über den weiteren Ablauf und personelle Veränderungen geben, sagte Hebein. Ob ihr unterlegener Kontrahent David Ellensohn Klubchef der Grünen bleibt, ist etwa noch offen.

Eines ist jedoch bereits jetzt klar: Unter Hebein werden die Grünen einen linkeren Kurs als bisher fahren. "Ja, natürlich mache ich linke Politik – was denn sonst?" Denn linke Politik bedeute, für Menschlichkeit, Menschenrechte, Gleichberechtigung, die Umwelt und Natur einzutreten. "Man muss sich vor linker Politik nicht fürchten", so Hebein.

Thematisch möchte sie sich auf zwei Komplexe konzentrieren und diese verbinden: "Ich will die ökologische und die soziale Frage verstärkt miteinander verknüpfen." Spätestens seit diesem Sommer wisse man, dass "die Klimakrise kein Bobo- und Elitenthema ist". Vor allem ältere und kranke Menschen und Kinder seien die Opfer der Hitzewelle. Nun gelte es, sich auf den "nächsten Sommer vorzubereiten, mit allen kreativen Ideen, die wir haben".

Hierbei wird interessant werden, wie Hebein sich in das Stadt- und Verkehrsplanungsressort, das sie von Vassilakou übernehmen wird, einlebt. Denn Hebein, die mit ihren zwei Kindern im 15. Bezirk wohnt, hat sich bisher als Sozialexpertin einen Namen gemacht: Die gebürtige Kärntnerin und diplomierte Sozialarbeiterin arbeitete unter anderem im Bahnhofssozialdienst der Caritas Wien und bei der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung.

Nachdem sie fünf Jahre lang Bezirksrätin und Klubobfrau der Grünen in Rudolfsheim-Fünfhaus gewesen war, zog sie 2010 in den Gemeinderat ein. Dort kümmert sie sich als Sprecherin um die Agenden Soziales und Sicherheit. 2017 war Hebein etwa maßgeblich an den Verhandlungen über das neue Wiener Mindestsicherungsmodell beteiligt. Ihr politisches Ziel sei, "dass alle Wiener und Wienerinnen ohne Angst und Sorgen einschlafen können in einer leiwanden Stadt".

Kritik an Alkoholverbot

Im Bereich Stadtplanung und Verkehrspolitik ist Hebein hingegen nicht aufgefallen. Sie sei bereit, auch in diesem Ressort Verantwortung zu übernehmen, sagte Hebein. Die Sozialpolitik dürfte aber weiter eines ihrer Kernthemen bleiben.

So warnte Hebein davor, im Sozialbereich Politik "auf dem Rücken der Ärmsten" zu machen. Hier sei sie sich mit der SPÖ einig. Rot-Grün sei das Gegenmodell zur schwarz-blauen Regierung. "Ich habe mit der SPÖ vereinbart, dass wir nächstes Jahr viel mehr Geld in die soziale und medizinische Versorgung im öffentlichen Raum investieren, auch am Praterstern." Die Grünen-Politikerin hatte das im Frühjahr eingeführte Alkoholverbot am Praterstern kritisiert: Dieses führe nur zu einer Verdrängung der Szene. Hebein forderte stattdessen eine bessere Sozialarbeit und medizinische Versorgung vor Ort.

Trotz möglicher Meinungsverschiedenheiten will Hebein die Koalition mit den Sozialdemokraten fortsetzen, von vorgezogenen Neuwahlen hält sie nichts: "Selbstverständlich arbeitet Rot-Grün bis zum letzten Tag." Und auch die SPÖ will an der Koalition festhalten: "Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin sehr gut und konstruktiv zusammenarbeiten werden", sagte Landesparteisekretärin Barbara Novak.

Auch die Opposition reagierte auf den Wechsel. "Herzlichen Glückwunsch zur Wahl", so Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr. "Gut, dass es nach der langen Zeit der Personalsuche endlich eine Entscheidung gibt. Jetzt muss es endlich um Wien gehen", meinte ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel. FPÖ-Klubchef Toni Mahdalik geht davon aus, dass Hebein "den politischen Irrweg von Maria Vassilakou weiter in Richtung Abgrund fortsetzen wird".

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