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Kurz und Strache gratulieren sich selbst

Von Werner Reisinger

Politik

Im kommenden Jahr will sich die Koalition einer großen Steuerreform, der Pflege und der Digitalisierung widmen.


Wien. Viel Eigenlob, manche unterschiedliche Sichtweise und ein Ausblick auf die Vorhaben der Koalition im kommenden Jahr - am Dienstag zog die Regierungsspitze Bilanz über das vergangene Jahr. Diese fällt erwartungsgemäß sehr positiv aus - auch wenn die demonstrativ zur Schau gestellte Koalitionseinigkeit aufgrund der periodisch wiederkehrenden Aufregung um den kleinen Koalitionspartner FPÖ, Stichwort Affäre Waldhäusl, durch recht unterschiedliche Positionen konterkariert wird.

Im Ausweichquartier des Parlaments stellten sich Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache im Anschluss den Fragen der Journalisten. Zuvor aber die schon bekannten Rituale: Sowohl Kurz als auch Strache bedankten sich ausführlich beim jeweils anderen für die professionelle Zusammenarbeit und die gute Vertrauensbasis - nicht ohne ebenso ausführlich auf die mangelnde Eintracht der Vorgängerregierungen hinzuweisen.

"Österreich ist eine Insel der Seligen", sagt Kurz, nicht ohne zahlreiche Krisenherde in und außerhalb Europas als Gegenbeispiele darzulegen. Es sei ein intensives Jahr gewesen, so der Kanzler, der "nach wie vor viel Unterstützung aus der Bevölkerung" wahrnimmt - "obwohl wir ein so hohes Reformtempo haben". Der "rot-weiß-rote Reformzug" werde auch im kommenden Jahr das Tempo halten, verspricht Kurz. Drei Schwerpunkte nennt der Kanzler für das kommende Jahr: eine große Steuerreform, die vor allem auf die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen abzielen soll, eine "nachhaltige Finanzierung" und Reform des Pflegebereichs sowie eine Offensive im Bereich Digitalisierung und Bildung.

Mitte April soll der Budgetpfad stehen, im Oktober soll ein Doppelbudget für 2020 und 2021 präsentiert werden. Auch die Senkung der Abgabenquote nennt Kurz als Ziel. Im Pflegebereich will der Kanzler die Ausbildung der Pfleger sowie eine bessere Unterstützung von Familienangehörigen, bleibt aber vage bei der Ankündigung, "Technologie und Innovation" besser nutzen zu wollen.

Gleich zu Jahresbeginn 2019 soll das digitale Verwaltungs-Portal "oesterreich.gv.at" starten. Dass Kurz den Ausbau von 5G vorantreiben und "digitaler Vorreiter in der EU" werden will, ist lange bekannt. Konkrete Umsetzungsstrategien dieses am Status quo gemessen enorm ambitionierten Vorhabens vermochte Kurz aber nicht zu nennen. Bei all den digitalen Vorwärts-Sprüngen werde man aber keinesfalls auf die Sicherheit vergessen, denn eine digitalisierte Verwaltung macht angreifbar. Rund 20 Minuten dauert es, bis Kurz das Thema Migration aufgreift, wie ein Journalist, der offenbar mitgestoppt hatte, angibt. Bei seinem Vize dauert es nicht so lange.

Konzilianter Kurz, angriffiger Strache

Heinz-Christian Strache nutzt den Einstieg seiner Rede für Angriffe gegen die SPÖ, lobt die Kürzungen der Mindestsicherung und den Familienbonus Plus als Schritte in Richtung einer "fairen und sozial gerechten Gesellschaft". Man "stärke die Alleinerziehenden". Stolze 2,84 Milliarden Euro habe die Regierung bereits in Sicherheit investiert, freut sich der FPÖ-Chef, in neue Ausrüstung für Polizei und Militär und eine neue Grenzschutzeinheit. Asylwerber mit negativem Bescheid habe man konsequent des Landes verwiesen. Über den zunehmenden Unmut vieler Wirtschaftstreibender über Abschiebungen gut integrierter Lehrlinge schweigt Strache.

Als dann die Journalisten am Wort sind, dreht sich alles um die Causa prima, den niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl. Er sei genau auf Linie mit Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Waldhäusl aber sei kein Mitglied der Bundesregierung, sagt Kurz. Strache hingegen verteidigt Waldhäusl nicht nur, sondern wiederholt dessen Aussagen, wonach der Zaun rund um das Jugendlager in Drasenhofen "ja auch dem Schutz der Insassen" diene. Zäune seien ja an sich nichts Schlechtes, sinniert der Vizekanzler. Waldhäusl habe "gesetzestreu gehandelt", es habe sich nicht um Freiheitsentzug gehandelt, es sei nicht gut, auf "Zuruf" und "ohne Überprüfung" zu reagieren, sagt Strache selbst dann noch, als um 11 Uhr klar wird, dass Waldhäusl eingelenkt hatte und die jugendlichen Flüchtlinge aus dem Lager wieder in die Grundversorgung übernommen werden.

An Kurz hingegen prallen hartnäckige Nachfragen ab. Was er zur Analyse des renommierten "Time"-Magazins sage, wonach er die extreme Rechte salonfähig gemacht habe? Der Blick auf Österreich sei noch immer auch von der Vergangenheit geprägt, leitet Kurz auf das Thema Gedenkkultur, der sich die Regierung ebenso intensiv widme wie der Beziehung zu Israel - das übrigens an seinem Boykott von FPÖ-Politikern und damit auch von Außenministerin Karin Kneissl festhält. Unmut in der eigenen Partei über seine Flüchtlingspolitik? Kurz verweist auf die für die ÖVP positiven Ergebnisse der Landtagswahl. Zum Bericht im "Time"-Magazin muss Strache aber ergänzen: "Ich nehme nicht alles so ernst, was in der ,Time‘ steht. Dort wird auch über den US-Präsidenten oft negativ geschrieben."

Dissens gibt es in der Regierungsspitze auch zur geplanten Übersiedlung der Central European University von Budapest nach Wien. Als "Bereicherung für den Universitätsstandort Wien" bezeichnete Kurz die Pläne der von Investor George Soros mitfinanzierten Uni. "Wie Sie wissen, handelt es sich um eine sogenannte Wanderuniversität, die keinen Referenzcampus hat", sagt Strache. Ihm fehlen die "Grundlagen", die FPÖ sei gegen die Übersiedlung.