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Senioren sehen sich diskriminiert

Von Karl Ettinger

Politik
Nicht ausgeschlossen sein: Auch die ältere Generation will mitbestimmen.
© stock.adobe/missty

Von ÖVP-Seite droht Anfechtung der Sozialversicherungsreform beim Verfassungsgerichtshof.


Wien. 2,4 Millionen Pensionisten zahlen Beiträge in die Krankenversicherung ein. Mit einem Beitragssatz von 5,1 Prozent der Pension kommen rund 4,1 Milliarden Euro und damit ein knappes Drittel der Beiträge herein. Gleichzeitig werden die Senioren nach der Reform der Sozialversicherung durch die ÖVP-FPÖ-Koalition nur mehr in der Hauptversammlung - und auch da nur ohne Stimmrecht - vertreten sein.

Die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, nimmt das so nicht hin: "Es hat keine Argumente gegeben, warum wir da nicht dabei sein sollen. Wir zahlen und dürfen nicht mitreden." Sie fordert, dass in allen neuen Organen der Krankenversicherung Seniorenvertreter wie auch Arbeiter- und Wirtschaftskammer Sitz und Stimme haben. Denn die Senioren seien seit dem Jahr 2000 auch gesetzlich als Sozialpartner verankert.

Noch hat Korosec zwar die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Forderung im letzten Moment vor dem Beschluss der Kassenreform im Nationalrat aufgegriffen wird. Sonst werde der Seniorenrat, die oberste Vertretung, in der auch der SPÖ-Pensionistenverband mit Präsident Peter Kostelka sitzt, kommenden Donnerstag eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof prüfen, kündigte Korosec vor Journalisten an.

SPÖ-Pensionisten: "Wenn das nicht kommt, wird geklagt"

Nach ihrer Ansicht liegt mit dem Ausschluss der gesetzlichen Seniorenvertretung ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen das Diskriminierungsverbot vor. Damit droht erstmals aus den Reihen der Koalitionsparteien der Gang zum Höchstgericht, auch wenn Korosec die Sozialversicherungsreform samt Fusion von 21 auf fünf Kassen generell ausdrücklich begrüßt.

Im SPÖ-Pensionistenverband ist man verwundert, dass Korosec eine Anfechtung zur Mitbestimmung nur prüfen will. "Wenn das nicht kommt, wird geklagt", wurde der "Wiener Zeitung" erklärt. Es gebe bereits einen entsprechenden Beschluss im Seniorenrat: "Es hätte die Klage auch unter einem SPÖ-Sozialminister gegeben." Korosec sei aber "herzlich eingeladen", zuvor bei ÖVP-Chef Bundeskanzler Sebastian Kurz noch eine Änderung durchzusetzen.

Unabhängig davon ist eine Anfechtung der Sozialversicherungsreform beim Verfassungsgerichtshof jedenfalls fix. Nach Informationen der "Wiener Zeitung" wird es aber nicht zu einer Klage etwa der Wiener Gebietskrankenkasse kommen. Vielmehr wird die SPÖ mit ihrer Drittelmehrheit im Bundesrat eine Klage beim Höchstgericht einbringen. Das soll unmittelbar nach dem Beschluss in der Länderkammer knapp vor Weihnachten erfolgen. Dabei ist eine umfassende Anfechtung von mehreren Reformpunkten geplant.

Um Senioren mehr Mitsprache zu sichern, kann sich Korosec als Alternative vorstellen, das deutsche Modell der Sozialwahlen zu übernehmen. Dort gibt es alle sechs Jahre eine Direktwahl in die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherung. Das brächte Pensionisten mehr Einfluss.

Ausdrücklich als erfreulich wertet Korosec, dass die Bundesregierung nun die "Leitlinien" für eine Pflegereform im kommenden Jahr vorgegeben hat. In einem Punkt - bei der Anhebung des Pflegegeldes - vertritt sie allerdings eine andere Linie als die türkis-blaue Koalition. Sie tritt dafür ein, das Pflegegeld in den unteren vier der insgesamt sieben Stufen anzuheben. Das diene dem Regierungsziel, die Pflege daheim zu unterstützen: "Das kommt wirklich den Familienangehörigen zugute." Gut 80 Prozent werden zu Hause betreut.

Die Regierung plant ab Pflegestufe vier ab 2020 eine Anhebung um ein Prozent. Für Korosec ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen. "Ein Prozent ist wirklich nicht das Gelbe vom Ei."

"Pflegegarantiefonds" aus Steuermitteln

Auch SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner brachte sich am Donnerstag zum Thema ein. Die öffentliche Hand soll künftig alle Pflegekosten übernehmen, fordert sie. Dazu sollen alle Gelder des Bundes und der Länder zur Finanzierung von Pflegeleistungen in einen "Pflegegarantiefonds" eingebracht werden, der mit sechs Milliarden Euro dotiert werden soll.

Derzeit geben Bund und Länder für die Pflege zusammen rund fünf Milliarden Euro aus. Die fehlende Milliarde soll aus dem Budget kommen, so Rendi-Wagner.