Zum Hauptinhalt springen

Europas Universitäten wehren sich

Von Werner Reisinger

Politik

Zehn europäische Universitäten-Konferenzen fürchten um die Grundwerte der Aufklärung.


Wien. Es weht ein rauer Wind durch Europa - und er kommt von scharf rechts. Mit wachsender Sorge blicken die Universitäten auf den Rechtsruck in zahlreichen europäischen Ländern. Vor allem in Zentral- und Osteuropa gerät die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung immer stärker unter Druck. Prominentestes Beispiel dafür ist wohl Ungarn unter seinem rechtsnationalen Präsidenten Viktor Orbán, auf dessen Druck sich nun die Central European University (CEU) entschlossen hat, ihren Budapester Standort aufzugeben und nach Wien zu übersiedeln.

Aus der Besorgnis zahlreicher europäischer Universitäten wächst nun Widerstand: Am Donnerstag unterzeichneten zehn Rektoren-Konferenzen ein "Wiener Erklärung" getauftes Papier, das den Austausch der Universitäten vorantreiben will und die jeweiligen Regierungen auffordert, jegliche Eingriffe in die Freiheit universitärer Lehre und Forschung zu verhindern. Darüber hinaus stellen die zehn Unterzeichner klar: Die Universitäten wollen dem Populismus der extremen Rechten und der Untergrabung der Demokratie durch "Fake News" auch außerhalb der Unis Paroli bieten.

Ungarn nicht mit dabei

"Als Hochschulen - und damit als tragende Elemente von Gesellschaft und Demokratie - trachten wir danach, diesen Entwicklungen entgegenzutreten", ist in dem Papier zu lesen. "Postfaktische Erklärungen" würden sowohl in der öffentlichen Meinungsbildung als auch in politischen Debatten an Gewicht gewinnen. Der "demokratische Charakter unserer Institutionen und der Gesellschaft" sei bedroht. "Die Plattform ‚Universities for enlightenment‘ (Universitäten für die Aufklärung, Anm.) will in den kommenden zwei Jahren nicht nur als Austauschplattform für die Rektoren-Konferenzen, sondern auch als Dialogangebot für die Gesellschaft fungieren", sagt die Gastgeberin und Vorsitzende der österreichischen Universitäten-Konferenz, Eva Blimlinger. Das Ausmaß der Bedrohung der Werte der Aufklärung sei jeweils unterschiedlich, ergänzt Jan Hancil, Vorsitzender der tschechischen Rektorenkonferenz. Gemein sei rechten und rechtspopulistischen Regierungen aber, "die Polarisierung der Gesellschaft zu nutzen, um ein politisches Momentum für sich zu erzeugen". Andrzej Krasniewski, sein Pendant in Polen, erzählt von rassistischen Übergriffen auf Studierende an polnischen Universitäten. Er macht dafür rassistische Propaganda der jetzigen polnischen Regierung verantwortlich, diese sei bereits im polnischen Wahlkampf 2015 deutlich zu spüren gewesen.

Die ungarischen Universitäten haben die "Wiener Erklärung" erst gar nicht unterzeichnet. "Wir sind natürlich weiter sehr bemüht, Ungarn miteinzubinden", sagt Uniko-Chefin Blimlinger. Das Scheitern eines Zusammentreffens der Rektoren in Ungarn sei ein Mitgrund für die jetzige Initiative gewesen.Unterzeichnet haben die "Wiener Erklärung unter anderem Deutschland, Polen, Italien, Kroatien, Österreich und Tschechien. Mit der von der ÖVP-FPÖ-Koalition beschlossenen Finanzierung sei man zwar zufrieden, kritisch sieht Blimlinger aber die Versuche der Regierung, das politische Mandat der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) abzuschaffen oder den ÖH-Wahltermin in den Juli zu verlegen, was auf eine Schwächung des Mitspracherechts der Studierenden hinauslaufe.

Keine Parteipolitik

In der Bezeichnung der ungarischen CEU als "Wanderuniversität" durch FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sieht Blimlinger eine Anspielung auf das "alte, antisemitische Stereotyp des ‚wandernden Juden‘". "Die Universitäten müssen und werden ein Ort der Freiheit und der Toleranz bleiben", so der abschließende Appell des Chefs der deutschen Rektoren-Konferenz, Peter-André Alt. In der "Wiener Erklärung" sieht er durchaus ein politisches Momentum - von parteipolitischer Vereinnahmung aber wolle man sich dezidiert abgrenzen.