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Warum diese Europawahlen so wichtig sind

Von Cathren Landsgesell

Politik

Wirtschaft, Freiheit, Migration: Andrea Rajcevic (16) und Mathias Flügel (15) haben genug Gründe, 2019 wählen zu gehen.


Wien. Gerade diese Europawahlen im Mai 2019 sind entscheidend, und daher für Andrea Rajcevic und Mathias Flügel besonders spannend. "Jetzt entscheidet sich, in welche Richtung Europa geht", sagt Mathias Flügel. Um Europa steht es aus seiner Sicht derzeit nicht besonders gut. Der 15-Jährige beginnt aufzuzählen: "Italien, Ungarn, Polen und auch Österreich: Überall haben wir rechtspopulistische Parteien, die eher für ein Europa der einzelnen Nationalstaaten sind. Da besteht die Gefahr des Auseinanderbrechens; auch wenn ich nicht glaube, dass es dazu kommt." Andrea Rajcevic (16) meint: "Es ist wichtig, zu wählen - und zwar das zu wählen, für das man wirklich steht, nicht das, von dem man glaubt, dass es die meiste Chance auf eine Mehrheit hat."

Europa im Unterricht

Andrea Rajcevic und Mathias Flügel sind Schüler am Schulzentrum HTL HAK Ungargasse (SZU) im dritten Wiener Gemeindebezirk und besuchen die 2. Klasse der dortigen HAK. Die Schule ist besonders engagiert, was die Vermittlung von Europathemen im Unterricht angeht. "Wenn man partizipieren will, muss man Vieles wissen", sagt Katharina Jahrl, die die Klasse von Andrea und Mathias in Deutsch und Geografie unterrichtet.

Im Moment ist - auf Nachfrage ihrer Schüler - die Griechenlandkrise Thema in ihrem Geografie-Unterricht. Die Schüler sehen dazu unter anderem einen Dokumentarfilm, der den Alltag in Griechenland zeigt. Es sei ein komplexes Thema, meint Jahrl, aber ihr geht es um ein ganzheitliches Bild von Europa: "Dazu gehört auch die wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb der EU." "Lebens- und Wirtschaftsraum Europa" heißt das übergeordnete Thema im Lehrplan, bei dem auch die wirtschaftlichen Maßnahmen und Errungenschaften der EU Themen sind. "Diese Wahl ist besonders wichtig", sagt Jahrl. "Ich finde, es ist wichtig, ihnen zu sagen: ‚Man hat eine Stimme und man muss diese Stimme auch einsetzen.‘ Wir diskutieren darüber, auch wenn jemand vielleicht der Meinung ist, es brächte nicht viel, zur Wahl zu gehen."

Gemeinsam mit einer Kollegin hat Katharina Jahrl ihre Deutsch-Klasse zur "Future Challenge" der "Wiener Zeitung" angemeldet. Der Videowettbewerb, der allen Lehrlingen sowie Schülern ab der 8. Schulstufe offensteht, widmet sich diesmal den Europawahlen. Die Jugendlichen sollen kurze Videos drehen, die zur Teilnahme an der EU-Wahl bewegen. "So holt man das Thema in den Klassenraum und in den Lebensraum der Schüler. Sie sind gezwungen, sich selbst zu überlegen, was sie zur Wahl animieren könnte", sagt Katharina Jahrl.

Mitbestimmung

Andrea Rajcevic und Mathias Flügel finden, dass sie von ihrer Schule insgesamt gut auf ihr Leben als Staatsbürger Europas vorbereitet werden. "Wir haben den Vorteil, dass wir das hier diskutieren können. Alle anderen müssen versuchen, sich selbst ein möglichst objektives Bild davon zu machen, wofür die einzelnen Parteien stehen", so Andrea. Von den Kandidaten, die die österreichischen Parteien ins Rennen schicken, haben die beiden bisher wenig gehört. "Es ist ja kein Problem, sich von verschiedenen Seiten Informationen zu holen, aber die meisten lesen ja nur die Überschriften, aber nicht die Artikel", sagt Mathias Flügel kritisch über den Medienkonsum in Österreich. Für ihn ist es selbstverständlich, im Internet viele verschiedene Zeitungen zu lesen, auch fremdsprachige.

Die Europawahlen am 26. Mai 2019 sind die ersten Wahlen, an denen Andrea Rajcevic und Mathias Flügel aktiv teilnehmen können. "Die Generation meiner Eltern ist nicht wirklich politisch aktiv", findet Andrea Rajcevic. Sie ist in Österreich aufgewachsen, aber als kroatische Staatsbürgerin kann sie in Österreich nur auf Bezirksebene wählen: "Es wäre schön, wenn man in dem Land, in dem man lebt, mehr Mitsprache hätte, aber auch die Europawahlen sind eine Möglichkeit, mitzubestimmen. Wir haben Einfluss, viele Menschen sehen aber nicht, wie groß ihr Einfluss ist. Ich will so viel machen, wie ich kann."

Andrea Rajcevic ist damit eine Ausnahme. 52 Prozent der Jugendlichen, die im Mai 2018 von der "Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik" gefragt wurden, ob ihre Stimme bei der Europawahl etwas bringt, hatten mit "eher nicht" oder mit "gar nicht" geantwortet.

Ist die EU vielleicht nicht demokratisch genug? Hat das EU-Parlament aus Sicht der Schüler genug Einfluss? "Es ist die einzige Institution in der EU, die vom Volk gewählt wird. Das ist eine sehr starke Position", befindet Mathias Flügel. Er glaubt, dass die Angst, von einer anonymen, demokratisch nicht legitimierten "EU-Zentralregierung" regiert zu werden, ein Grund für den Brexit war. "Jetzt wollen die Menschen in Großbritannien natürlich nicht so einen Brexit haben, dass sie austreten, aber dann immer noch abhängig von denselben EU-Institutionen sind, die sie vorher kritisiert haben."

Otmar Karas, seit zwanzig Jahren für die ÖVP Mitglied im Europäischen Parlament, bringt den Brexit ebenfalls mit Fragen der Mitbestimmung in Verbindung. Bei einer Podiumsdiskussion mit mehreren Schulklassen, die von der Plattform "Europa:Dialog" - dem Partner der "Wiener Zeitung" bei der Future Challenge - organisiert wurde, wird er von einer Schülerin gefragt, wie er den Brexit denn eigentlich finde. "Es ist tragisch, aber vielleicht zeigt er, dass man Probleme nicht lösen kann, indem man davonläuft", so die Antwort von Karas. Er hängt noch eine Bitte an: "Ich kann Sie nur auffordern: Bitte sagen Sie nicht nur, was Ihnen nicht passt und was Sie sich wünschen, sondern beteiligen Sie sich daran, die Veränderungen, die Sie wollen, auch zu erreichen." Bei Andrea Rajcevic rennt Otmar Karas damit offene Türen ein. Die HAK-Schülerin will Soziologie, etwas Wirtschaftliches oder Politikwissenschaften studieren, weil sie Diskriminierung beseitigen und den Ursachen der Einkommensunterschiede auf den Grund gehen will. "Für diese Veränderungen will ich mich einsetzen", sagt sie.

Wohlstand

"Wir leben in Europa in einem der reicheren Länder", meint Mathias Flügel. Das bringt aus seiner Sicht auch Verpflichtungen mit sich. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung sei die Politik der EU überall im Alltag zu spüren. Und das sei für den Zusammenhalt der EU ein Pluspunkt, meint der Schüler: "Niemand will auf die vier Grundfreiheiten verzichten, denn dann wären die Waren viel teurer, wir könnten nicht einfach so reisen usw. Dafür lohnt es sich, wählen zu gehen."

Für Andrea ist das Migrationsthema eine der größten Herausforderung für die EU: "Wir sollten schauen, dass man nicht die Menschlichkeit verliert und das fair gestaltet. Dafür sollte man sich gemeinsam einsetzen. Deswegen sind die Wahlen so wichtig."

Wer noch eine Schulklasse zur Future Challenge der "Wiener Zeitung" anmelden möchte, kann das unter futurechallenge@wienerzeitung.at ganz einfach tun. Die Future Challenge ist ein Videowettbewerb und steht in diesem Jahr unter dem Motto "#europa4me". Im Zentrum stehen die Europawahlen.