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Die seichten Sprünge der SPÖ

Von Jan Michael Marchart und Karl Ettinger

Politik

Die SPÖ hüpft auch unter Pamela Rendi-Wagner von einer innerparteilichen Selbsttherapie zur nächsten.


Wien. Pamela Rendi-Wagner muss sich warm anziehen. Am Dienstag rückt die erste Frau an der Spitze der SPÖ zur 130-Jahr-Feier der Parteigründung 1888/89 der zerstrittenen Lager der Arbeiterbewegung in das niederösterreichische Hainfeld aus. Rendi-Wagner, die Ende November beim Bundesparteitag in Wels mit einer satten, fast 98-Prozent-Zustimmung gekürt worden ist, hält im Gemeindezentrum die Festrede. Die Ansprache erfolgt in einer Zeit, in der die SPÖ auf einem Kurs zwischen (Rück-)Eroberung sozial benachteiligter Arbeitnehmer und urbaner Mittelschichten balanciert.

Am Freitag musste SPÖ-Sozialsprecher Josef "Beppo" Muchitsch mit seinen breiten Schultern einen neuen innerparteilichen Konflikt abfangen, den Rendi-Wagner mit der Aussage, für Vermögenssteuern sei nicht der richtige Zeitpunkt, ausgelöst hatte. Das war symptomatisch für die SPÖ-Probleme der vergangenen Monate. Eigentlich wollte der steirische Baugewerkschafter der ÖVP-FPÖ-Regierung wegen eines umfassenden "Sündenregisters" von weniger Geld für das Arbeitsmarktservice bis zu Kürzungen der Mindestsicherung bei einer Pressekonferenz die Leviten lesen.

Wenig überraschend wurde er sofort zur Kritik mehrerer SPÖ-Landeschefs an Rendi-Wagners Positionierung befragt. "Ja, die SPÖ steht zu Vermögenssteuern", versicherte Muchitsch, auch die SPÖ-Vorsitzende. Es gebe entsprechende Beschlüsse. Nur gebe es jetzt bei der türkis-blauen Koalition keine Chance auf Umsetzung. Das werde dann mit der nächsten Nationalratswahl der Fall sein. Er werde keine Antwort geben, "die Öl ins Feuer gießt."

Österreich, ein "Nackerbatzerl" bei Vermögenssteuern

An der Notwendigkeit von Vermögens- und Erbschaftssteuer hegt der SPÖ-Sozialsprecher keinen Zweifel. Da sei Österreich ein "echtes Nackerbatzerl", sagte er mit Hinweis auf OECD-Studien, wonach Österreich bei Vermögenssteuern weiter unter dem Durchschnitt liegt.

Faktum ist: Die SPÖ schädigt sich auch unter Rendi-Wagner regelmäßig selbst. Weniger in Richtung ihrer Wähler, der Schaden wirkt vorerst eher nach innen. Das machen Rendi-Wagner und ihre SPÖ zuletzt meist ohne Not, wenn man auf die Zeit seit ihrem Antritt Ende September des Vorjahres zurückblickt.

Gleich zu Beginn demontierte sie den innerparteilich weiter stark verankerten Andreas Schieder als Chef des roten Parlamentsklubs, den sie von ihren Plänen nicht einmal informiert haben soll. Ebenso wenig wusste der Parlamentsklub davon. Sie möchte Partei und Klub gleichermaßen führen. Ein Pouvoir, das ihr der mächtige Wiener Landesparteichef Michael Ludwig in Funk, Fernsehen und Boulevard zwar nicht absprach, aber er zweifelte tagelang öffentlich daran, ob sie das alleine wird stemmen können. Weil das davor auch niemand so gemacht habe, so die Begründung. Insgesamt wirkte das nach außen dennoch wie eine öffentliche Zurechtweisung.

Weiters musste der von ihrem Vorgänger Christian Kern eingesetzte Steirer Max Lercher sein Büro als Bundesgeschäftsführer in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße räumen. Dort platzierte sie ihren Vertrauensmann Thomas Drozda, der innerparteilich ebenso wenig verankert ist wie Rendi-Wagner selbst. Beide Ex-Minister des Kabinetts Kern waren zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ein Jahr im Parlament.

Eine Rochade, die innerparteilich wieder für Stunk sorgte. Diesmal kam sie federführend aus den Bundesländern, weil nach Lerchers Abgang in der Bundes- und Parlamentsspitze nur Wiener vertreten sind (der Steirer Jörg Leichtfried wurde inzwischen Vizeklubobmann). Aber auch die jungen Sozialdemokraten waren sauer, weil der von ihnen geschätzte Lercher, 32 Jahre jung und aus der Sozialisitischen Jugend kommend, gegen Drozda, 53 Jahre alt, ausgetauscht wurde."Thomas, du bist ein Bobo", und "ein Akademiker im Anzug", schrieb die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa auf Facebook.

Widerstand und Rückzieherbei Parteireform

Drozda geriet mit den Ländern und der Parteijugend kurze Zeit später wieder aneinander, als er für viele Genossen überraschend verkündete, die unter Kern paktierte Parteireform zu verschieben und zu überdenken. Erneut kein gutes Momentum, noch dazu vor dem wichtigen Parteitag, in einer Zeit, die nach dem Bauchfleck Kerns mit seiner EU-Kandidatur, seinem Rücktritt wenig später und der auch dadurch turbulenten Anfangszeit der neuen Parteichefin einend wirken sollte.

Die Parteireform war ein Kompromiss, den Lercher allen Beteiligten mit viel Einsatz abgerungen habe, kritisierte die Sektion Acht. SPÖ-Politiker, also auch die Landeschefs, sollten sich nach zehn Jahren einer Wiederwahl stellen müssen, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen wäre. Dem stemmte sich aber Wiens Bürgermeister Ludwig entgegen. Rendi-Wagner gab klein bei. Nun gilt sie nur für Nationalrats- und EU-Abgeordnete. "Nichts soll sich ändern. Niemand soll sich ändern müssen. Niemand will Macht abgeben", monierte die Wiener Jugendorganisation.

Nach dem Bundesparteitag war es etwas ruhiger um Rendi-Wagner und ihre SPÖ. Sie trat selten in Erscheinung, sagte auch zu wesentlichen Themen des innenpolitischen Alltags lange Zeit wenig bis gar nichts. Sie präsentierte eine eigene Pflegereform, während die Regierung über ihre eigenen Pläne sprach. Die Kritik nach außen überließ sie da und dort ihrem Bundesgeschäftsführer Drozda. Erst nach und nach wagte sie sich aus der Deckung und äußerte sich etwas detaillierter über die programmatischen Pläne der SPÖ.

Schließlich kam es Ende Dezember zu zwei Interviews, die ihr in der Partei Kritik einbrachten. Da war einerseits der weniger erregende Satz: "Marx ist mir zu wenig leistungsfreundlich." Aber andererseits, und das ist innerparteilich viel wichtiger, die Diskussion um Vermögenssteuern. Eine klassische SPÖ-Position seit jeher, eine Journalistenfrage für jede neue Parteiführung der SPÖ, für die man in der Löwelstraße inzwischen längst ein paar Stehsätze parat haben sollte, die keine zwei Meinungen zulassen.

Verständnis bei Genossen in Wien und im Burgenland

Rendi-Wagner schaffte das nicht. Sie steht zwar für Vermögens- und Erbschaftssteuern. Aber der Nachsatz, dass es aufgrund des Wachstums momentan Zeit für Entlastung und nicht für neue Steuern sei, sorgte bei der Gewerkschaft für Irritationen. Auch das geschah ohne Not. Damit brachte sie einige der roten Landeschefs gegen sich auf. Diese seien weiter für eine Vermögenssteuer. Diese Frage sei "immer aktuell", sagte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser in der "Kronen Zeitung". Der steirische Landeschef Michael Schickhofer stimmte zu. Wahrscheinlich wurden die beiden nur gefragt, wie sie zu Vermögenssteuern an sich und weniger wie sie zur Position ihrer Parteichefin stehen. Aber Rendi-Wagner hat einmal mehr Erklärungsbedarf.

Die Landesparteien aus Wien und dem Burgenland, die in der Vergangenheit nur zu gerne ihren Bundesgenossen das Leben schwer gemacht haben, bleiben in dieser Frage ungewöhnlich still. Um einen neuerlichen Parteistreit medial nicht wie ihre andere Landesgenossen zu befeuern, heißt es dort. Gleichzeitig verstehen die Wiener Genossen das Dilemma, in dem sich Rendi-Wagner befindet. Man könne nachvollziehen, dass sie kein starkes Interesse daran habe, sich als Steuererhöhungspartei hinstellen zu lassen, während die Regierung die Steuern senken möchte. Das sei die Auslegung, die ÖVP und FPÖ gemeinsam mit dem Boulevard unter die Leute bringen wollten.