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Dissens über Asylrechtsberatung

Von Werner Reisinger

Politik

Bis Ende März wollen Justiz- und Innenressort ein Konzept über die geplante Bundesasylagentur vorlegen.


Wien. Der Haussegen hängt merkbar schief zwischen ÖVP-Justiz- und Reformminister Josef Moser und dem FPÖ-geführten Innenministerium (BMI). Der Grund: die geplante Übernahme der Rechtsbetreuung für Asylwerber in einem laufenden Verfahren, die derzeit von NGOs durchgeführt wird, in die Kompetenz des Bundes. Um das System umzustellen, hätten schon im vergangenen Jahr die Verträge mit den NGOs gekündigt werden müssen, denn laut Gesetz sind diese immer nur per Jahresende und mit einer einjährigen Frist kündbar. Jetzt streiten Moser und FPÖ-Innenminister Herbert Kickl öffentlich, wieso dies nicht passiert sei. Aber der Reihe nach.

Die Frage der Rechtsberatung für Asylwerber ist Teil einer Komplettreform des Asylwesens, das Kickl in groben Zügen am Montagvormittag vor Journalisten präsentierte. Bereits seit 1. Jänner gibt es im BMI die neue Sektion V - Fremdenwesen. Legale und illegale Migration sowie "Asyl und Rückkehr" werden damit zentral in einer Sektion behandelt. Kickl verspricht sich davon unter anderem schnellere Asylverfahren. Es sei seine Aufgabe, "sich mehr den Ursachen der Migration zuzuwenden", sagt Peter Webinger, der neue Leiter der Sektion V. Bisher habe man sich "sehr stark mit den Symptomen der Migrationslage beschäftigt", so Webinger. Teil der Asylreform soll auch eine Bundesagentur sein, die sich um die gesamte Abwicklung im Bereich Asyl kümmern soll, von der Unterbringung von Asylwerbern bis hin zur Rechtsberatung im Verfahren. Einzig wie die Agentur genau aussehen soll und woher das Geld kommen soll, ist offen.

Wer soll bezahlen?

Zur Erklärung: Die Kosten für das aktuelle System, in dem NGOs die Rechtsberatung der Asylwerber übernehmen, betreffen sowohl das BMI als auch das Justizministerium. In der ersten Instanz und der Zulassung zum Verfahren bezahlt das BMI, und zwar rund zur Hälfte die Arbeitsgemeinschaft Rechtsberatung (Diakonie und in Oberösterreich die Volkshilfe) sowie den Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ). Wird ein Verfahren in erster Instanz negativ entschieden, können die Betroffenen in Berufung gehen, für diese zweite Instanz übernimmt Mosers Justizressort die Kosten für die Rechtsberatung.

Rund 1,4 Millionen Euro gab das BMI 2018 für die genannten NGOs aus, eine Hochrechnung, wie man im Ressort betont. Insgesamt sind aber aktuell rund 30.000 Einspruchsverfahren anhängig - und die betreffen eben das Justizressort. Dort leidet man, glaubt man den jüngsten Aussagen von Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, ohnehin unter permanentem Geldmangel. Weil es "völlig ungeklärte Fragen zur Finanzierung und Kostentragung" des geplanten neuen Systems gibt, wie Moser am Montag in einer Aussendung schrieb, sah man in der Justiz von einer Kündigung der NGO-Verträge zum Jahresende 2018 ab. In der Folge kündigte auch das Innenministerium seine Verträge nicht. Mosers Ressort musste 2018 13,5 Millionen Euro für die NGO-Beratungen bezahlen.

Moser habe sich quergelegt, seitens des Justizressorts sei niemand zu den abschließenden Besprechungen im November 2018 gekommen, monierte Kickl am Montag - und bemühte sich gleichzeitig, die "harmonische Zusammenarbeit" mit Moser zu betonen. Aber: "Es hat auch niemand den Herrn Justizminister daran gehindert, bereits in den letzten Monaten im vergangenen Jahr die entsprechenden Berechnungen für sein Haus durchzuführen", sagte Kickl. "Trotz mehrmaliger Urgenz" habe man seinem Ressort keine Unterlagen übergeben, Informationen seien "nur mündlich und unvollständig" weitergegeben worden, so Moser in seiner Aussendung. Somit gebe es keine Unterlagen, auf deren Grundlage "eine seriöse weitere Vorgangsweise" möglich sei. Das Justizressort habe lediglich an drei Treffen der Arbeitsgruppe teilgenommen, stellte Moser klar. Man sei überrascht gewesen, dass bei den letzten Terminen der "Enderledigung" im November die Justiz nicht dabei war, entgegnete Kickl. Neu könne das Projekt ja nicht sein, schließlich stehe es im Regierungsprogramm, sagte der Innenminister in Richtung Moser. So mussten am frühen Montagnachmittag die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) ausrücken: Bis März wollen Justiz- und Innenressort einen gemeinsamen Vorschlag einbringen, wie nun die Rechtsberatung neu organisiert werden soll.

Kein Länder-Mitspracherecht

Schwer einschätzbar ist laut Experten, ob eine komplett vom Bund durchgeführte Rechtsberatung im Asylwesen nun höhere oder niedrigere Kosten verursachen würde. "Man muss aber darauf hinweisen, dass die Tagessätze der Rechtsbetreuer als recht bescheiden gelten, will man eine halbwegs adäquate Beratung gewährleisten", sagt beispielsweise Anny Knapp, Obfrau des Vereins Asylkoordination. Aus anderen NGOs ist wiederum zu hören, eine Bundesagentur sei sicher teurer als das jetzige System. Zudem fürchten Vertreter von NGOs, dass eine staatlich organisierte Rechtsberatung für Asylwerber einer möglichen politischen Einflussnahme unterliegen könnte.

Die neue Agentur soll sich nicht nur um Unterkunft und Rechtsberatung kümmern, sondern auch um die Rückkehrberatung für Ausreisewillige oder Personen mit negativem Asylbescheid. Hier ist auch die Caritas aktiv, die seit einigen Wochen unter massivem Beschuss der FPÖ steht. Mit Ende 2019 läuft ein Drei-Jahres-Vertrag des Bundes mit der Caritas aus, deren Rückkehrberatung jährlich mit zwei Millionen Euro dotiert ist.

Als ungefähres Datum, wann Asylwerber dann auch zentral von der neuen Bundesagentur untergebracht werden sollen, nannte Kickl am Montag den Jahresbeginn 2021. Das wäre auch der frühestmögliche Zeitpunkt, die Rückkehrberatung ohne NGOs im Bund durchzuführen.

Ebenfalls auf der Agenda des Innenministers steht die Neukodifizierung des komplexen Asylrechts. Die vier betreffenden Gesetze, darunter auch das Asylgesetz, sollen zu einem zusammengefasst werden. Ein Mitspracherecht der Bundesländer beim humanitären Bleiberecht - Stichwort: Lehrlings-Abschiebung - lehnt Kickl nach wie vor ab.