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Breites Bündnis gegen Gewalt an Frauen

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Parlamentsfraktionen wollen Maßnahmen für Prävention und Opferschutz erarbeiten.


Wien. Sieben Frauenmorde gab es seit Dezember 2018, fünf alleine in den vergangenen drei Wochen. Zwischen Jänner und November des Vorjahres waren es laut Daten des Bundeskriminalamts 41. Erst Anfang dieser Woche wurde eine 32-Jährige auf einem Parkplatz eines Supermarktes von ihrem Ehemann erstochen. Wie sie stammt er aus Mazedonien. Die Frauenmorde heuer haben eines gemeinsam: Die Täter befanden sich im nächsten Umfeld des Opfers.

Von 203 Anzeigen wegen Mordes oder Mordversuchs waren 2017 126 Tatverdächtige ausländischer Abstammung, 62 waren laut Statistik Asylwerber.

Über die Ursachen und mögliche Maßnahmen haben sich am Mittwochvormittag zum ersten Mal Experten aus den Bereichen Opferschutz, Täterarbeit, Kriminologie und Polizei gemeinsam mit den parlamentarischen Fraktionen ausgetauscht. Dazu hat die Zwei Nationalratspräsidentin Doris Bures von der SPÖ geladen. Nur die ÖVP war nicht anwesend.

Diese befand sich seit Montag auf einer dreitägigen Klubklausur in St. Wolfgang in Salzburg, etwa drei Stunden von Wien entfernt. Die zuständige Frauensprecherin Barbara Krenn ist außerdem stellvertretende Klubobfrau und konnte daher die Klausur nicht verlassen, heißt es von einer Sprecherin des ÖVP-Parlamentsklubs. "Wir hätten gerne daran teilgenommen, aber auf unsere Klausur wurde keine Rücksicht genommen. Man hätte den Termin auch am Donnerstag machen können."

Davon abgesehen war eine Erkenntnis der Sitzung, mit der Sensibilisierung für Gewalt gegen Frauen früh anzusetzen und die veralteten Rollenbilder von Mann und Frau bereits im Kindergarten und in der Schule abzustreifen.

Niedrige Verurteilungsrate

Ein Problem sei das vorherrschende Männerbild in der Gesellschaft, das von Dominanz, Konkurrenz und Wettbewerb geprägt sei. Gleichzeitig gestehe die Gesellschaft Männern nicht zu, verletzlich zu sein und mit Leid und Schmerz umzugehen, sagte die Soziologin Laura Wiesböck. Sie appellierte dafür, dass Männer verstärkt in der Sorgearbeit wie der Pflege arbeiten sollen. Das hätte einen Lerneffekt und eine Vorbildwirkung. Mehr Sensibilität für häusliche Gewalt forderte Bures auch für die Ausbildung von Staatsanwälten und Richtern.

Dass die Gesetze hinsichtlich Opferschutz in Österreich grundsätzlich gut seien, darüber waren sich alle Anwesenden einig. Nur an der Durchführung hapere es. Es brauche eine höhere Verurteilungsquote, sagt die Kriminologin und Strafrechtsexpertin Katharina Beclin. Gegenwärtig werde häufig das Verfahren bei Aussage gegen Aussage eingestellt, ohne dass Opfer und Täter von der Staatsanwaltschaft persönlich einvernommen wurden. "Man kann eine Beweiswürdigung aber nur dann nachvollziehen, wenn man die Personen persönlich einvernommen hat." Die niedrige Verurteilungsrate von zehn Prozent nimmt den Opfern zusätzlich Hoffnung. "Sie haben das Gefühl, die Anzeige bringt ohnehin nichts", sagt Kerstin Schinnerl von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Der Täter würde lachend davonkommen.

Datenschutz als Täterschutz

Schinnerl plädierte für bessere Gefährdungsanalysen. Vielen Fällen, auch jenen in diesem Jahr, geht oft eine längere Gewaltgeschichte voraus. Betretungsverbote des Täters, von denen es im vergangenen Jahr österreichweit 8755 gab, würden oft nicht ausreichen. So gut wie nie wird gegen Gewalttäter Untersuchungshaft verhängt. Der 36-jährige Mazedonier, der seine Frau Anfang dieser Woche in Tulln ermordete, hatte ein aufrechtes Betreuungsverbot.

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Ein großes Problem sei außerdem der Informationsfluss bei Gewalttaten. Die Polizei darf derzeit Daten der Gewalttäter aus Datenschutzgründen nicht weitergeben. Udo Jesionek, Präsident der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring, mache das "narrisch". Er sitzt in der Task Force der Regierung zum Strafrecht, die es sich zum Ziel gesetzt hat, aus dem "Datenschutz keinen Täterschutz" zu machen. Das scheitere momentan aber, so Jesionek. Weil man nicht wisse, ob das ins Sicherheitspolizeigesetz gehöre oder ins Verbrechensopfergesetz. "Das ist doch völlig wurscht, wo es ist", sagt er. "Es gehört geregelt." Den Opfern müsse rasch geholfen werden.

Die Regierung kündigte unter anderem eine Vereinfachung des Betretungsverbots und mehr Geld für Gewalt und Opferschutz an. Ebenso einen dreistelligen Frauennotruf, obwohl es bereits eine Helpline gibt, kritisieren Teil der Opposition und die Initiatorinen des Frauenvolksbegehrens.

SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek forderte, die vom Innenressort abgeschafften Fallkonferenzen für Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind, wieder aufzunehmen. Die Fälle wurden früher von Polizei, Justiz und Interventionsstellen untersucht. Jene, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, müssen laut Bures unterstützt werden - "Stichwort Unterhaltsgarantie". Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß steht wegen ihrer Förderungskürzungen bei Frauenorganisationen, die ebenfalls einen Beitrag zur Gewaltprävention leisten, in der Kritik.